© Pharma Fakten e.V.
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Teure Dossiers nicht immer notwendig

Für die frühe Nutzenbewertung eines neuen Medikaments reichen Pharmaunternehmen umfangreiche Dossiers ein. Doch in zehn Prozent der Fälle sehen sie davon ab und verzichten auf die Ermittlung eines Zusatznutzens. Ein Trick, um Arzneimittel mit einem geringeren Nutzen in eine Festbetragsgruppe zu drücken? Eher ein Standard-Vorgang, um Kosten und Aufwand zu vermeiden.

Bei jedem zehnten der rund 130 Medikamente, die seit Einführung  des Arzneimittelneuordnungsgesetzes (AMNOG) zugelassen wurden, konnte der Zusatznutzen nicht ermittelt werden; weil die Hersteller keine oder unvollständige Dossiers über Vergleichsstudien eingereicht hatten. Das hat eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ an die Bundesregierung beleuchtet.

Unspektakulärer Standard statt Trickserei

Was der Linken als Trickserei erschien, um die Bewertung mit einem geringeren Zusatznutzen zu verhindern, ist ein normaler Vorgang. Die Option, kein Dossier einzureichen, ist gesetzlich vorgesehen. Wirklich unspektakulär wird das vermeintliche große Tricksen, wenn man sich die Zahlen dahinter anschaut: Fünf der 13 Arzneimittel, die nicht bewertet wurden, wurden in Deutschland nicht eingeführt. Die übrigen acht kamen mit dem Preis einer bestehenden Festbetragsgruppe oder dem der günstigsten vergleichbaren Therapie auf den Markt. In den vergangenen drei Jahren wurden für diese Arzneimittel von den Krankenkassen Ausgaben in Höhe von 23 Millionen Euro erstattet. Das entspricht gerade mal 0,025 Prozent der Gesamtausgaben für die Arzneimittelversorgung in dieser Zeit.

Die Gründe der Unternehmen, auf die Einreichung der Dossiers zu verzichten, sind vielfältig, wie eine Nachfrage von Spiegel Online bei den Herstellern zeigt. Maßgeblich sind vorm allen die hohen Kosten für die Erstellung der Dossiers. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) schätzt auf Nachfrage von Pharma Fakten, dass sich die Aufwendungen für diese Dokumentationen auf bis zu 500.000 Euro belaufen und zwei Mitarbeiter und externe Dienstleister ein Jahr lang an die Erstellung binden. Legen vorliegende Studien oder die zuvor stattfindenden Beratungsgesprächen nahe, dass ein Medikament ohnehin einer bestehenden Festbetragsgruppe zugeordnet werden wird, ist das teure Dossier überflüssig. Auch Unerfahrenheit bei kleineren Unternehmen oder Konflikte über die richtige Vergleichstherapie gehören zu den Gründen

Das AMNOG-Verfahren in Kurzform

Mit der Einführung des AMNOG wurde 2011 auch die frühe Nutzenbewertung eingeführt. Bringt ein Arzneimittelhersteller ein neues Medikament auf den Markt kann er für das erste Jahr den Preis noch selbst festlegen. Gleichzeitig obliegt es ihm, in einem umfangreichen Dossier den Nachweis eines zusätzlichen Nutzens seines Präparates zu erbringen. Die Vergleichstherapie dafür legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fest, die Überprüfung und Quantifizierung des Zusatznutzens übernimmt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Es folgen auf Basis der IQWiG-Bewertung ein Stellungnahmeverfahren und eine Anhörung unter Leitung des G-BA. Der fällt schließlich das endgültige Urteil über den Zusatznutzen des neuen Medikamentes und kann dabei auch von der IQWiG-Bewertung abweichen. Das Ergebnis dieser Prozedur bildet die Basis für entweder die Einordnung des Medikamentes in eine Festbetragsgruppe (wenn kein Zusatznutzen gesehen wird) oder für Preisverhandlungen mit dem Spitzenverband der Krankenkassen (wenn ein Zusatznutzen zuerkannt wurde oder keine Einordnung in eine Festbetragsgruppe erfolgen kann).

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