Über den Einsatz von Herz-Kreislauf-Therapien gibt es einen großen Wissensschatz. Die Versorgungsforschung kann trotzdem zu neuen Erkenntnissen führen  weiß IQVIA. Foto: CC0 (Stencil)
Über den Einsatz von Herz-Kreislauf-Therapien gibt es einen großen Wissensschatz. Die Versorgungsforschung kann trotzdem zu neuen Erkenntnissen führen weiß IQVIA. Foto: CC0 (Stencil)

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: eine unterschätzte Gefahr bei Diabetikern

„Patienten mit Diabetes mellitus versterben zu 50 Prozent […] an kardiovaskulären Erkrankungen“, sagt der Mediziner Prof. Dr. med. Christian A. Schneider. Dass ein Zusammenhang zwischen der Zuckerkrankheit und Herzinfarkt und Co. besteht, wissen viele Patienten jedoch nicht. Dabei ist eine gezielte Prävention und Behandlung wichtig. Am 14. November ist Weltdiabetestag.

Heute sind es 1.000. Morgen wieder 1.000. Und am Tag darauf auch. 1.000 Neuerkrankungen pro Tag gehen in Deutschland in etwa auf das Konto von Diabetes mellitus. Über sechs Millionen Menschen sind derzeit betroffen; die große Mehrheit von ihnen leidet unter Typ 2. Bei dieser Erkrankungsform wird Insulin – ein Hormon, das den Blutzucker reguliert – von den Körperzellen zunehmend schlechter aufgenommen und verwertet. Die Folge: erhöhte Blutzuckerwerte.

Foto: © malven/istockphoto.com
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Doch Diabetes ist viel mehr als das. Die Erkrankung hat Auswirkungen auf den gesamten Körper: auf die Blutgefäße, auf das Herz oder andere Organe. Viele Betroffene leiden daher unter Komplikationen – bis hin zu Erblindung oder Nierenschäden. Besonders gefährdet sind die Betroffenen durch kardiovaskuläre Erkrankungen; besser bekannt als Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ein Beispiel ist die Arteriosklerose: Fett und Kalk lagern sich hier in der Gefäßwand der Arterien (Schlagadern) ab und verhärten bzw. verengen diese. Geschieht dies in den Arterien, die das Herz versorgen, kann zum Beispiel ein Herzinfarkt die Folge sein.

Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankung: ein gefährliches Duo

„Allein die Tatsache, dass jemand ein Diabetiker ist, erhöht das kardiovaskuläre Risiko  deutlich. Um das zwei- bis drei-fache. Wir wissen: Patienten mit Diabetes mellitus versterben zu 50 Prozent – jeder Zweite – an kardiovaskulären Erkrankungen “, so der Experte Prof. Dr. med. Christian A. Schneider. Ähnlich dramatisch liest sich eine Studie von Forschern der Universität in Cambridge. Sie hatte gezeigt, dass das Vorliegen sowohl von Diabetes als auch von einer Herz-Kreislauf-Erkrankung die Lebenserwartung eines Betroffenen beträchtlich reduzieren kann. „Bei einer Person in ihren 60er Jahren, die an beiden Erkrankungen leidet, ist die Lebenserwartung durchschnittlich um rund 15 Jahre verkürzt“, berichtet einer der Wissenschaftler, Dr. Emanuele Di Angelantonio.

„In dem Moment, wo ich Diabetes […] diagnostiziere, muss ich zumindest denken: Was ist mit den Gefäßen los? Was ist mit dem Herzen los?“, fordert der Kardiologe Prof. Dr. Schneider. Viele Patienten würden diese „Parallelität“ der Erkrankungen nicht mitdenken. Dabei gilt: „Obwohl wir wissen, die Prognose der Patienten ist ungünstig, können wir die natürlich beeinflussen.“ Der „Schlüssel“ sei es, den Blutzucker nicht isoliert zu sehen, sondern dass man „die vaskuläre Begleiterkrankung sucht, häufig findet und dann intensiv behandelt.“

Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Diabetes-Therapie berücksichtigen

Bestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen schon früh im Rahmen der Therapiewahl zu berücksichtigen: Das empfehlen auch die „European Association for the Study of Diabetes“ (EASD) und die „American Diabetes Association“ (ADA). In ihrem aktuellen Konsensbericht zur Typ 2-Diabetes-Therapie verweisen sie auf Diabetes-Medikamente – bestimmte SGLT2-Hemmer und GLP-1-Rezeptor-Agonisten – die laut jüngster Studienergebnisse nicht nur den Blutzuckerspiegel senken, sondern sich positiv auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirken und beispielsweise das Risiko für Herzversagen reduzieren.

Aber so weit muss es gar nicht unbedingt kommen: Denn es gibt einige Möglichkeiten der Prävention. „Um Folgeerkrankungen am Herz-Kreislauf-System vorzubeugen, müssen Blutzucker-, Blutfett- und Blutdruckwerte möglichst gut eingestellt sein“, so Prof. Dr. Diethelm Tschöpe,  Vorsitzender der Stiftung „Der herzkranke Diabetiker“ (DHD) in der Deutschen Diabetes-Stiftung. Eine regelmäßige Kontrolle dieser Werte ist daher wichtig. Genügend Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und gesunde Lebensweise dienen ebenfalls der Vorbeugung. Mit gezielten Präventionsmaßnahmen können Diabetiker ihr Risiko für Herzinfarkt und Co. auf das Niveau der Allgemeinbevölkerung senken; ihre Lebenserwartung kann dann nahezu ähnlich sein. Darauf weist die repräsentative Studie „Risk Factors, Mortality, and Cardiovascular Outcomes in Patients with Type 2 Diabetes“ aus Schweden hin.

Foto: Creative Common Zero (CC0)
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„Wichtig erscheint mir: sich nicht aufgeben. Also Vertrauen in sich selber zu haben und […] in andere und auch in die Medizin“, rät Patient Joachim L. Er ist Diabetiker und leidet unter einer schweren koronaren Herzerkrankung. Diese entsteht durch eine Verengung der Gefäße, die am „Kranz“ des Herzens liegen („Herzkranzgefäße“). Die Folge: Es gelangt nicht mehr genug Sauerstoff ins Blut. Doch Joachim L. weiß: „Wenn ich auf Bewegung achte, wenn ich die Tabletten regelmäßig nehme, wenn ich einen regelmäßigen Lebenswandel führe, ist schon viel gewonnen.“ 

Nationale Diabetesstrategie?

Über sechs Millionen Menschen sind in Deutschland von Diabetes betroffen – Tendenz steigend. Einige Experten warnen vor einem „Diabetes-Tsunami“. Umso wichtiger wäre ein ganzheitlicher Ansatz, um die Erkrankung – und ihre Folgen – in den Griff zu bekommen. „Die von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigte Nationale Diabetes-Strategie ließ vermuten, dass endlich eine Gesamtstrategie für Diabetesprävention, -früherkennung und -therapie gefunden werden soll und die Politik den Ernst der Lage erkannt hat“, so Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Seit Verabschiedung des Koalitionsvertrags im März dieses Jahres […] hat die darin angekündigte Nationale Diabetes-Strategie der Bundesregierung keinen Schritt vorwärts getan – eine greifbare Gesamtstrategie fehlt weiterhin“, kritisiert jedoch DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer. „Zu lange wurde bereits gewartet und nichts unternommen. Leidtragende sind die Patienten.“

Die DDG appelliert daher nun an alle Diabetes-Experten in Europa, ein gemeinsames Positionspapier zu formulieren, um die Politik zu konkreten Maßnahmen zu drängen. Unter anderem unterstützt vom europäischen Pharma-Dachverband EFPIA wurde zu diesem Zweck das „European Diabetes Forum“ (EUDF) ins Leben gerufen. Als Plattform soll es alle relevanten Akteure im Kampf gegen Diabetes vereinen. EUDF-Geschäftsführer John Nolan dazu: „Ich wünsche mir, dass Forschung und neue Forschungsergebnisse aktiv in politische Maßnahmen übersetzt werden, damit Menschen mit Diabetes in jedem Land Europas von erhöhter Versorgungsqualität profitieren können.“

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