1,2 Milliarden Menschen in 45 einkommensschwachen Ländern mit Arzneimitteln und Impfstoffen versorgen: Pfizer hat sich viel vorgenommen. Foto: CC0 (Stencil)
1,2 Milliarden Menschen in 45 einkommensschwachen Ländern mit Arzneimitteln und Impfstoffen versorgen: Pfizer hat sich viel vorgenommen. Foto: CC0 (Stencil)

Ehrgeiz Mangelware: Die Eliminierung der Hepatitis C

Hepatitis C ließe sich binnen einer Generation ausrotten – die Voraussetzungen dafür wurden mit der Entwicklung der neuesten Generation direkt wirkender antiviraler Medikamente (DAAs) geschaffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat deshalb das ehrgeizige Ziel formuliert, die Lebererkrankung bis zum Jahr 2030 zu eliminieren. Bisher sieht es allerdings nicht so aus, als ob das klappen könnte – es passiert schlicht zu wenig. Eine aktuelle Studie in der Fachzeitschrift The Lancet zeigt, was sich ändern müsste.
Ägypten: Musterknabe in Sachen Hepatitis C-Eliminierung / Foto: CC0 (Stencil)
Ägypten: Musterknabe in Sachen Hepatitis C-Eliminierung / Foto: CC0 (Stencil)

Ägypten macht es vor. Allein im Jahr 2016 hat das Land 700.000 Menschen mit den neuen DAAs behandelt. Im Land am Nil ist der Leidensdruck groß, denn es hat mit den höchsten Anteil an Hepatitis C-Infizierten der Welt – keine Familie, die nicht von der Krankheit betroffen ist. Der Grund: Im Kampf gegen die Wurmerkrankung Bilharziose startete das Land in den 1950er Jahren ein großangelegtes Programm, um die Tropenkrankheit zu bekämpfen. Mit der intravenösen Gabe eines Arzneimittels verbreitete man auf diese Weise einen Erreger unter der Bevölkerung, der bis dahin noch nicht einmal einen Namen hatte: Das Hepatitis C-Virus (HCV) wurde erst 1989 entdeckt. Bis zu 15 Prozent der Bevölkerung sollen infiziert gewesen sein.

Für die WHO ist Ägypten aber mittlerweile so etwas wie ein Musterknabe in Sachen Hepatitis C-Eliminierung. Denn es behandelt nicht nur diejenigen, die ihren Infektionsstatus kennen, sondern hat auch Programme aufgelegt, um die schätzungsweise drei Millionen Ägypter zu identifizieren, die infiziert sind, ohne es zu wissen. 

Der WHO-Eliminierungsplan: Minus 80 Prozent bei Neuinfektionen bis 2030

Hepatitis C ist eine globale Geißel – rund 70 Millionen Menschen gelten als infiziert. 10 bis 20 Prozent entwickeln im Laufe der Krankheit eine Leber-Zirrhose oder sogar Leberkrebs. Im Jahr 2015 zählte man über 500.000 Tote als Folge der Infektion. „Die Revolution in der Behandlung von Hepatitis C durch die Entwicklung von direkt wirkenden antiviralen Medikamenten hat international das Interesse an einer globalen Eliminierung der Erkrankung als eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit geweckt“, schreibt Professor Timothy Hallett vom Imperial College in London. Dafür hat die WHO folgende Zielmarken ausgegeben: Reduktion der Zahl der Infektionen bis 2030 um 80 Prozent bei gleichzeitiger Reduktion der Sterblichkeit um 65 Prozent.  In einer Studie, die in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht worden ist, untersuchte Hallett mit seinem Team, unter welchen Bedingungen dies möglich wäre.

Dazu haben sie vier Hauptmaßnahmen definiert mit dem Ziel, HCV möglichst gründlich an den Kragen zu gehen:

  • Mit einer verbesserten Blutsicherheits- und Infektionskontrolle könnte das Risiko einer Hepatitis C-Infektion um 58 Prozent reduziert werden. Diese Maßnahme hätte vor allem in jenen Ländern den größten Wirkhebel, wo Gesundheitssysteme Nachholbedarf haben.
  • Mit einem Paket aus Opioidsubstitutions-Therapie und Nadelaustauschprogrammen müssten laut Hallett intravenöse Drogenkonsumenten erreicht werden. Da sie in Ländern mit hohen Sicherheitsstandards bei der Infektionskontrolle die wichtigsten Überträger sind, würde selbst im Fall, dass nur 40 Prozent von ihnen erreicht werden, die globale Infektionsrate um 7 Prozentpunkte sinken.

Rund 14,1 Millionen Neuinfektionen könnten bis 2030 durch diese beiden Maßnahmen vermieden werden, haben die Studienautoren errechnet.

  • Mit rund 640.000 weniger Todesfällen rechnet Hallet, wenn alle Infizierten sofort nach der Diagnose mit den neuen DAAs behandelt würden – schließlich gelten sie als der „Wendepunkt“ in der Geschichte der HCV-Therapie. Denn sie „erlauben interferon-freie Behandlung, stark verbesserte Heilungsraten, günstigere Nebenwirkungsprofile und kürzere Therapiezeiten.“ Eine hochkomplexe Behandlung ist geradezu banal einfach geworden und das ist eine Grundvoraussetzung für einen großflächigen Einsatz auch in Ländern mit nur geringen Ressourcen.
  • Und schließlich – das ist die vierte Maßnahme – müssten weltweit die Risikogruppen auf das Virus gescreent werden. Sollten bis 2030 die Diagnoserate von 90 Prozent erreicht werden, „würde das zusätzlich Sterblichkeit und Inzidenz reduzieren.“
Auf dem Spiel steht eine Welt frei von Hepatitis C. Foto: CC0 (Stencil)
Auf dem Spiel steht eine Welt frei von Hepatitis C. Foto: CC0 (Stencil)

Ob das WHO-Ziel erreicht werden kann, hängt von vielen Faktoren ab, erklären die Wissenschaftler; u. a. „vom Erfolg der Präventionsmaßnahmen, der Durchführung von Screening-Programmen und dem Fortschritt in Schlüsselländern mit hoher Krankheitslast wie China, Indien und Pakistan.“ Auch Geld dürfte eine Rolle spielen – bis 2030 müssten laut der Berechnungen 51,8 Millionen Behandlungen zur Verfügung gestellt werden. Aber auch das haben sie ausgerechnet: Sollten diese Ziele erreicht werden, müssten in den nach 2030 folgenden zwei Dekaden weltweit noch rund 12 Millionen Therapien verabreicht werden. Mehr Ehrgeiz bei der Umsetzung der WHO-Eliminierungsstrategie könnte sich also doppelt lohnen: Denn auf dem Spiel steht eine Welt frei von HCV.

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