HIV: Die Ziele für 2025 sind in Gefahr

Die Weltgemeinschaft hat sich vorgenommen, die HIV-Epidemie bis zum Jahr 2030 zu beenden. Doch schon der Blick auf die Zwischenziele 2025 zeigt: Dazu müsste ein enormer Endspurt losgetreten werden. Denn COVID-19 und andere globale Krisen haben eine unübersehbare Bremsspur hinterlassen.

Die Zahlen sind nichts für schwache Nerven – vor allem, wenn man sich klar macht, was sie für die betroffenen Menschen bedeuten: 2021 gab es weltweit rund 1,5 Millionen Neuinfektionen – über eine Million mehr, als für das Erreichen der Zwischenziele notwendig wäre (s. Grafik).

HIV-Test
HIV 2021: Weltweit rund 1,5 Millionen Neuinfektionen. Foto: ©iStock.com/utah778

Von den Neuinfektionen sind überproportional junge Frauen und weibliche Heranwachsende betroffen – in dieser Gruppe ereignet sich alle 2 Minuten eine neue Infektion. Neuinfektionen unter jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren waren im vergangenen Jahr 5-mal häufiger, als sie nach den Eliminationsplänen sein dürften. Das geht aus dem Bericht „In Danger“ hervor, den UNAIDS herausgegeben hat. 

Die Organisation warnt in deutlichen Worten: „Bei diesen Zahlen geht es um politischen Willen“, erklärte UNAIDS-Chefin Winnie Byanyima bei der Vorstellung des Berichts. „Liegt es uns am Herzen, Mädchen zu schützen? Wollen wir Aids-Todesfälle bei Kindern stoppen? Wenn ja, dann müssen wir den Kampf gegen Aids wieder auf Kurs bringen.“ Doch noch immer stirbt jede Minute irgendwo ein Mensch an den Folgen einer HIV-Infektion. Und noch immer erhalten nur 52 Prozent der betroffenen Kinder (0 bis 14 Jahre) eine Therapie; bei den Erwachsenen sind es 76 Prozent. 

HIV: Trotz aller Erfolge – es reicht nicht

Was die Grafik auch zeigt, sind die Erfolge der vergangenen Jahre. Die Zahl der Neuinfektionen konnte seit dem Hoch in den 1990er Jahren konsequent reduziert werden – seit 1996 um 54 Prozent. Auch Todesfälle sind deutlich weniger geworden. Noch nie in der Geschichte der Immunschwäche-Krankheit haben so viele Betroffene Zugang zu antiretroviraler Therapie gehabt; 2021 waren es 28,7 Millionen Menschen (75% aller Betroffenen). Unter den Schwangeren sind 82 Prozent unter Therapie, um die HIV-Übertragung auf ihr Neugeborenes zu verhindern (allerdings mit großen regionalen Unterschieden).

Pharma Fakten-Grafik: HIV - Die Ziele für 2025 sind in GefahrDoch um die Ziele der Weltgemeinschaft zu erreichen, ist das zu wenig, wie das Beispiel der Prä-Expositionsprophylaxe, kurz PrEP, zeigt (s. Grafik). Sie ist eine hocheffektive Methode, um sich vor einer HIV-Infektion zu schützen, ist von forschenden Pharmaunternehmen als Tablette oder Injektion entwickelt worden und gilt als wichtige Strategie, um die Zahl der neuen Infektionen zu senken. Auch hier zeigen sich zwei Seiten: Einerseits ist die Zahl der Menschen, die mindestens einmal eine PrEP eingenommen haben, drastisch gestiegen – und das trotz der Pandemie. 845.000 Menschen in 54 Ländern haben sie erhalten – das ist seit 2018 ein Zuwachs von 182 Prozent. Aber erstens verteilt sich das Gros der PrEP-Nutzer:innen auf nur wenige Länder (vor allem USA, aber auch Kenia, Südafrika und Sambia) und zweitens müssten für das Erreichen der 2025er-Ziele in 3 Jahren weitere 9 Millionen Menschen erreicht werden.

Bis 2030 Aids beenden? „Dafür braucht es Mut“

Letztendlich fehlt es auch an Geld: Auf 29,3 Milliarden US-Dollar taxiert UNAIDS den Finanzbedarf, der bis 2025 zur Verfügung stehen müsste, um Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen in ihrem Kampf zu unterstützen. Doch die momentan zur Verfügung stehenden Budgets gehen eher zurück. Im vergangenen Jahr waren es rund 21,4 Milliarden US-Dollar – und damit fast ein Drittel unter dem angestrebten Ziel. 

Die Botschaft von UNAIDS ist klar: Die Krankheit erfolgreich zu bekämpfen wird deutlich weniger kosten, als das nicht zu tun. „Wir können Aids bis 2030 beenden – wie versprochen“, sagt Winnie Byanyima. „Aber dafür braucht es Mut.“

Weiterführender Link:

UNAIDS: In Danger. Juli 2022

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