Beim Kampf gegen die Pandemie scheint es  als bestehe ein unlösbarer Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz der Gesundheit. Aber ist das auch so? Foto: @iStock.com/jokuephotography
Beim Kampf gegen die Pandemie scheint es als bestehe ein unlösbarer Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz der Gesundheit. Aber ist das auch so? Foto: @iStock.com/jokuephotography

COVID-19: Gesundheit oder Wirtschaft – ein unlösbares Dilemma?

Die Bundesregierung sieht sich in der Kritik, weil das Herunterfahren weiter Teile der Wirtschaft die Existenzen vieler Menschen bedroht. Es scheint, als bestehe ein unlösbarer Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz der Gesundheit. So einfach ist es aber nicht, stellt das ifo-Institut, eine Forschungseinrichtung mit Sitz in München, fest.

Im Sommer dieses Jahres, als Deutschland noch meinte, es käme ganz gut durch diese Pandemie, hörte man oft den Spruch: „Ich kenne niemanden, der an COVID-19 erkrankt ist, aber bald viele, die daran pleite gegangen sind.“ Sollte wohl heißen: Die getroffenen Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die von dem Virus ausgeht. Es war der Mythos von der kleinen Grippe – nur anders erzählt.

3/4 der Bürger*innen finden den harten Lockdown richtig. @iStock.com/jokuephotography
3/4 der Bürger*innen finden den harten Lockdown richtig. @iStock.com/jokuephotography

Jetzt wissen wir es besser. Teilweise über 30.000 Neu-Infizierte über Nacht, volle Intensivstationen, überlastete Pflegekräfte und die Tatsache, dass bis zu 1.000 Menschen am Tag ihr Leben verlieren, sind Fakten, an denen keiner vorbeikommt. Drei Viertel der deutschen Bundesbürger und -bürgerinnen, das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, finden den harten Lockdown richtig. Selbst unter den Wählern und Wählerinnen der AfD ist eine knappe Mehrheit für einen harten Lockdown.

Gesundheitsschutz oder Wirtschaft? „So einfach ist das nicht.“

Das ifo-Institut plädiert dafür, Gesundheitsschutz und wirtschaftliche Interessen zusammen zu denken. In „Wie funktioniert der Exit aus dem Shutdown?“ schrieb sein Präsident Clemens Fuest bereits im April: „Die Gegenüberstellung von Menschenleben, die durch das Virus gefährdet sind, und Produktionsausfällen andererseits erweckt den Eindruck, es bestehe ein unlösbarer Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen einerseits und Gesundheitsschutz andererseits. So einfach ist es aber nicht. Selbst wenn man gesetzliche Beschränkungen einfach aufheben würde: Die Wirtschaft kann nicht florieren, während ein gefährliches Virus grassiert. Wer umgekehrt denkt, dass die Gesundheit der Bevölkerung umso besser geschützt sei, je länger der Shutdown dauert, irrt ebenfalls. Der Shutdown hat zur Folge, dass viele andere Krankheiten nicht mehr behandelt werden. Psychische Leiden und soziale Probleme wie etwa häusliche Gewalt nehmen zu. Die Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz von Selbständigen und wachsende Arbeitslosigkeit verursachen ebenfalls gesundheitliche Schäden.“ Das ifo-Institut hat deshalb eine schrittweise, eine zielgenaue Öffnung, eine Exit-Strategie, die sich an festen Kriterien orientiert, vorgeschlagen.

Der Zielkonflikt: Wer seine Bevölkerung schützt, vernichtet seine Wirtschaft?

In diesem Zusammenhang kommen interessante Daten von der Datenplattform Our World in Data. Die Wissenschaftler wollten wissen, ob die Länder, denen es gelungen ist, die Todesraten als Folge von COVID-19 niedrig zu halten, auch die stärksten Wirtschaftseinbrüche zu verzeichnen haben. Es wäre irgendwie logisch: Harte Maßnahmen wie Lockdowns belasten die Wirtschaft, schützen aber die Bevölkerung.

Doch stellt man den Rückgang der Wirtschaftsleistung in Relation zu den bestätigten Todesfällen, zeigt sich (s. Grafik): „Die Länder, denen es gelungen ist, die Gesundheit ihrer Bevölkerung zu schützen, haben generell auch ihre Wirtschaft geschützt.“ Die Auswertung bezieht sich auf das zweite Quartal 2020.

Es fällt auf, wie unterschiedlich sich das Virus auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) einzelner Länder niedergeschlagen hat. Ein Land wie Peru hat fast ein Drittel seiner Wirtschaftsleistung verloren, Taiwan hingegen nur 0,6 Prozent. Könnte es sein, dass sich hier unterschiedlich strenge Anti-Corona-Maßnahmen verbergen?

Fakt ist: „Gegenteilig zu der Idee des Zielkonfliktes (trade-off), sehen wir, dass Länder mit den härtesten Wirtschaftsabschwüngen, wie Peru, Spanien oder Großbritannien, generell unter den Ländern mit der höchsten COVID-19-Todesrate sind“, heißt es bei Our World in Data. Und auch das Gegenteil ist richtig: Länder mit den geringsten wirtschaftlichen Impacts wie Taiwan, Süd-Korea oder Litauen, ist es auch gelungen, ihre Todesrate niedrig zu halten. Ein „trade-off“ im Sinne von „Gesundheitsschutz gut, daher Ökonomie schlecht“ lässt sich daraus nicht ablesen.

COVID-19-Todesraten: Große Unterschiede zwischen den Ländern

Pandemie: Länder mit vergleichbarem wirtschaftlichem Negativwachstum können sehr unterschiedliche Todesraten haben. Foto: ©iStock.com/Ca-ssis
Pandemie: Länder mit vergleichbarem wirtschaftlichem Negativwachstum können sehr unterschiedliche Todesraten haben. Foto: ©iStock.com/Ca-ssis

Interessant ist auch, dass einige Länder mit vergleichbarem wirtschaftlichem Negativwachstum sehr unterschiedliche Todesraten haben können. Schweden, die USA, Dänemark und Polen haben jeweils einen Rückgang beim BIP von rund acht bis neun Prozent aufzuweisen. Doch Schweden und USA haben eine bis zu zehnfach höhere Todesrate.

Natürlich ist das nur ein Schlaglicht, eine Momentaufnahme der Pandemie. Denn die Todesrate hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab (z.B. allgemeiner Gesundheitszustand der Bevölkerung, Gesundheitssystem etc.). Aber die Wissenschaftler sind sich sicher: „Die Länder, denen es am besten gelungen ist, einen Ausbruch zu kontrollieren, haben wohl auch die beste ökonomische Strategie verfolgt.“

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