Die Menschheit verlässt sich zunehmend darauf  dass Impfkampagnen der Pandemie ein Ende setzen. Aber im Kampf gegen SARS-CoV-2 gilt es  mehrgleisig zu fahren. Foto: ©iStock.com/Eblis
Die Menschheit verlässt sich zunehmend darauf dass Impfkampagnen der Pandemie ein Ende setzen. Aber im Kampf gegen SARS-CoV-2 gilt es mehrgleisig zu fahren. Foto: ©iStock.com/Eblis

Coronapandemie: Nicht alles auf eine Karte setzen

Über ein Drittel der Menschen in Deutschland hat mindestens eine Impfdosis erhalten. Genauer gesagt sind es inzwischen über 30 Millionen Personen: Es geht voran – und das Ende der Pandemie scheint so greifbar wie noch nie. Doch COVID-19 ist eine globale Angelegenheit und SARS-CoV-2 ein Virus, das sich nicht gänzlich ausrotten lassen wird. Daher gilt: Impfstoffe allein werden nicht ausreichen. Die Menschheit muss mehrgleisig fahren und alle Instrumente nutzen, die ihr zur Verfügung stehen. Dazu gehören Vakzine. Aber auch Arzneimittel zur Behandlung.

Für viele Menschen ist die Impfung eine Erleichterung: Wie aus Ergebnissen des Forschungsprojektes „COVID-19 Snapshot MOnitoring COSMO“ unter Führung der Universität Erfurt hervorgeht, fühlen sich frisch Geimpfte „eher sorgenfrei, glücklich und befreit“. Das betrifft vor allem Personen über 60 Jahre. Hinzu kommt: Die Inzidenz-Zahlen sinken bundesweit; die dritte Welle scheint gebrochen. Das weckt Hoffnungen – Hoffnungen auf einen weitgehend normalen Alltag in Deutschland.

SARS-CoV-2: Der Kampf muss global geführt werden. Foto: ©iStock.com/Yakobchuk
SARS-CoV-2: Der Kampf muss global geführt werden. Foto: ©iStock.com/Yakobchuk

Die andere Wahrheit ist aber auch: Ein Leben ganz ohne Coronavirus wird es wohl nicht mehr geben. „Ein Virus, das eine Menge Tierarten infizieren kann, das lässt sich nicht ausrotten“, betonte Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI). Und: In anderen Gegenden der Welt ist die Coronalage nach wie vor dramatisch; das Virus breitet sich weiter aus. Die in Indien entdeckte Coronavirus-Variante B.1.617 konnte laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon in mehr als 40 Ländern nachgewiesen werden. Das zeigt wieder einmal: Erfolgreich in die Schranken weisen lässt sich SARS-CoV-2 nur, wenn der Kampf global geführt wird.

Impfkampagnen weltweit: Viele Fragezeichen

Daher ist noch nicht gewiss, ob und wann es mit Impfkampagnen gelingt, diesen bedrohlichen Krankheitserreger weltweit kontrollierbar zu machen. Niemand kann genau vorhersehen, wie sich das Virus künftig noch verändern wird; welchen Schutz die zugelassenen Impfstoffe gegenüber weiteren neuen Virusvarianten gewähren können; wie gut und wie schnell eine Anpassung der Vakzine auf neue Mutationen möglich ist, falls notwendig.

Unklar ist auch, wie viele Menschen sich tatsächlich impfen lassen werden. In den USA zum Beispiel ist inzwischen rund die Hälfte der Bevölkerung mindestens einmal geimpft (s. Our World in Data) – doch die Nachfrage sinkt nun. „Die Regierung von Präsident Joe Biden bemüht sich darum, auch den Rest des Landes noch von einer Impfung zu überzeugen“, meldete die Tagesschau. Nur dann ließe sich ein Gemeinschaftsschutz erreichen und die Infektionsübertragung wirksam stoppen: Fachleute gehen davon aus, dass für diese sogenannte „Herdenimmunität“ 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung (oder sogar noch mehr) immun gegen das Coronavirus sein müssten (s. vfa).

Arzneimittelforschung gegen COVID-19. Foto: CC0 (Stencil)
Arzneimittelforschung gegen COVID-19. Foto: CC0 (Stencil)

Arzneimittelforschung im Kampf gegen COVID-19

Es bleiben also viele Fragezeichen. Daher gilt es, mehrgleisig zu fahren. Im Interview mit der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) erklärte der Forscher Prof. Dr. Rolf Hilgenfeld im April, er halte es für „fahrlässig“, „nur auf Impfstoffe zu setzen und antivirale Medikamente zu vernachlässigen.“ Er kritisierte: „In Deutschland fließen die meisten Gelder in die Impfstoffforschung und -entwicklung. Für die Entwicklung von Medikamenten gegen Covid-19 wird nur ein Bruchteil davon bereitgestellt.“

Immerhin: Nach monatelanger Kritik hat die Bundesregierung Mitte Mai ein neues Förderprogramm vorgestellt. Sie unterstützt die Entwicklung wirksamer Medikamente gegen COVID-19 nun mit weiteren 300 Millionen Euro. „Wir müssen leider damit rechnen, dass selbst bei einer hohen Impfrate Menschen weiter an COVID-19 erkranken“, sagte Forschungsministerin Anja Karliczek. Gesundheitsminister Jens Spahn ergänzte: „Impfen nimmt der Pandemie ihren Schrecken, wirkungsvolle Therapien der Erkrankung.“

Und auch die Europäische Kommission hat Anfang Mai ihre Impfstoffstrategie um eine Strategie für COVID-19-Therapeutika ergänzt. EU-Kommissarin Stella Kyriakides formulierte folgendes Ziel: drei neue Medikamente bis Oktober dieses Jahres. „Dies erreichen wir, indem wir in Forschung und Innovation, die Ermittlung neuer vielversprechender Arzneimittel, den Ausbau der Produktionskapazitäten und die Förderung eines gleichberechtigten Zugangs investieren.“

COVID-19 behandeln – Intensivstation vermeiden

Dabei ist nicht zu vergessen: Schon heute stehen den Ärzt:innen verschiedene Medikamente zur Verfügung. In bestimmten Fällen können zum Beispiel sogenannte monoklonale Antikörper zum Einsatz kommen – auch wenn eine offizielle Zulassung in der EU noch aussteht. Der Bund hatte zu Beginn des Jahres 200.000 Dosen gekauft: Wie das Deutsche Ärzteblatt erfuhr, wurden bis Mitte April aber erst „rund 1.300 Dosen“ an Krankenhausapotheken abgegeben.

Strategien: Infektionen vermeiden oder gut behandeln können. Foto: ©iStock.com/Ozge Emir
Strategien: Infektionen vermeiden oder gut behandeln können. Foto: ©iStock.com/Ozge Emir

Eine neue Rechtsverordnung mit Regelungen rund um die Vergütung und Verschreibung sollen nun Hürden, die den Einsatz dieser Präparate erschweren, beseitigen (s. Deutsche Apotheker Zeitung).

Mit Remdesivir gibt es außerdem einen (antiviralen) Wirkstoff, der in der EU sogar spezifisch für COVID-19 zugelassen ist. In vielen Ländern wie den USA gehört er zum Therapiestandard in den Krankenhäusern. In Deutschland hat er den Ruf, nur sehr beschränkt wirksam zu sein. Dabei geht aus Daten der Zulassungsstudien und der „Real World“ hervor, dass sich unter Remdesivir die Genesungszeit deutlich verkürzt, die Viruslast reduziert und dass weniger Menschen mechanisch beatmet werden müssen. Auch ein Trend zur Senkung der Sterblichkeit ist erkennbar.

Dr. Ansgar Rieke, Chefarzt am Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein in Koblenz, hat klinische Erfahrung mit Remdesivir. Gegenüber der Ärzte Zeitung (14.05.2021) betonte er, welchen Wert es hat, wenn es „gelingt, einen schweren Verlauf abzukürzen oder zu verhindern“: Das sei „für die Langzeitbehandlung auf der Intensivstation von großer Wichtigkeit.“ Und Dr. Matthias Janneck, Klinik für Kardiologie am Albertinen-Krankenhaus in Hamburg, erläuterte im Ärzte Zeitung-Interview: „Mit der Kombination aus Steroiden und Remdesivir behandeln wir relativ aggressiv, um möglichst zu verhindern, dass Patienten intensivmedizinisch betreut werden müssen.“ Das ist nicht nur wichtig, um den Druck auf die Intensivstationen zu mindern, sondern auch mit Blick auf die Todesraten. So zeigt ein Bericht der Krankenkasse AOK mit Daten aus der zweiten Welle: Die Hälfte der beatmeten Corona-Patient:innen verlässt das Krankenhaus nicht mehr lebend.

Infektionen zu vermeiden ist daher die eine Strategie. Die andere ist es, sie frühzeitig zu erkennen und gegen eine Verschlechterung des Krankheitsverlaufs mit allen Mitteln anzukämpfen. Der Baukasten mit den Instrumenten, die beides immer besser möglich machen, wächst mit dem zunehmenden Wissen über das Virus und die Erkrankung. Längst sind nicht mehr nur AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske) die einzige Waffe. Der Baukasten umfasst zudem diverse Testmöglichkeiten und Impfstoffe – und Medikamente.

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