Forschungsinteressen und Datenschutz verbinden – wie das gehen könnte  darüber diskutierten Expert:innen bei einem virtuellen Roundtable. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff
Forschungsinteressen und Datenschutz verbinden – wie das gehen könnte darüber diskutierten Expert:innen bei einem virtuellen Roundtable. Foto: ©iStock.com/gorodenkoff

„Wir brauchen Daten für die Forschung“

„DATA – gläserner Patient oder endlich Durchblick?“ Über diese Frage diskutierten mehrere Fachleute bei einem virtuellen Roundtable im Rahmen der „change4RARE“-Initiative des Pharma-Unternehmens Alexion. Dabei zeigte sich: Es ist gar nicht so einfach, Forschungsinteressen, Digitalisierung und Datenschutz miteinander zu verbinden.

Nur ein Beispiel: 20 Universitätskliniken und weitere Partner haben sich für das Projekt „CORD“ (Collaboration on Rare Diseases) zusammengetan – dort sollen Informationen aus Diagnostik, Behandlung und Erforschung von seltenen Erkrankungen digital zusammengetragen, verwertet und letztlich dafür genutzt werden, die Situation solcher Patient:innen zu verbessern. Denn gerade bei seltenen Erkrankungen kann die Nutzung von Daten dabei helfen, schnellere Diagnosen zu stellen und angemessene Therapien zu entwickeln. Das Problem bei CORD: „Es fehlt an einheitlichen IT-Standards, an einer gemeinsamen Terminologie“, so Sylvia Thun, Professorin für Informations- und Kommunikationstechnologie im Gesundheitswesen, „wir müssen Standards aufsetzen, mit denen wir Daten zusammenführen können – und wir müssen die Forschenden dazu bringen, ihre Daten so aufzuschreiben, dass sie in der elektronischen Datenverarbeitung einheitlich verwendet werden können.“

Es geht also nicht darum, dass zu wenige Daten vorhanden wären – sondern es geht darum, diese Daten effektiv zusammenzuführen und dabei auch den Datenschutz im Blick zu behalten. „Es gibt 170 Register für seltene Erkrankungen in Deutschland“, weiß Manuel Burkhart, Projektleiter für das deutsche Mukoviszidose-Register, „es gibt tolle Ansätze, aber wir müssen uns auch mit der Frage auseinandersetzen, welche Daten von wem eingesehen werden können.“

Bundesweites Zentrum für Forschungsdaten

Digitalisierung: Daten für die Forschung nutzbar machen. 
Foto: ©iStock.com/ipopba
Digitalisierung: Daten für die Forschung nutzbar machen.
Foto: ©iStock.com/ipopba

Gottfried Ludewig, Abteilungsleiter Digitalisierung und Innovation im Bundesgesundheitsministerium, plädierte dafür, „Daten zu verknüpfen und für die Forschung nutzbar zu machen“. Er sagte aber auch: „Welche Daten wir verwenden, wo sie liegen, wie wir sie verknüpfen – das ist wie die Vorbereitung für einen Flug zum Mond.“ Also sehr kompliziert, wie sich schon bei der Einführung eines elektronischen Rezeptes zeigte: „Das e-Rezept war seit 2003 geplant“, so Ludewig, „aber es kommt erst jetzt, weil es so viele Anforderungen gab.“ Ludewig sprach sich dafür aus, ein bundesweites Forschungsdatenzentrum zu schaffen, in dem Daten standardisiert, verknüpft und verfügbar gemacht werden, um bessere Medikamente zu bekommen. Bevor es so weit sei, müsse man aber „damit aufhören, zu sagen, dass die Verknüpfung von Daten etwas Böses ist.“

„Wir dürfen nicht das Ziel aus den Augen verlieren, Datenschutz mit Forschung zu verbinden“, bekräftigte Frederick Richter, Vorstand der Stiftung Datenschutz. Er hält die Datenschutzgrundverordnung DSGVO „für forschungsfreundlich“ und betonte: „Die Wissenschaftsfreiheit findet dort Beachtung.“ Problematisch sei eher, dass es in Deutschland keine zentrale Datenschutzaufsicht gebe, wie in anderen europäischen Ländern, „sondern wir haben hier ein Konzert von Datenaufsichten – und das wird schlimmstenfalls zu einer Kakophonie.“ Prof. Christof von Kalle vom Berlin Institute of Health an der Charité ergänzte: „Bei multizentrischen Projekten haben wir dreistellige Zahlen von Datenschutzbeauftragten, die alle zustimmen müssen.“

Falsche Datensparsamkeit

Bislang gilt in Deutschland das Prinzip der „Datensparsamkeit“. „Aber das hat auch Schattenseiten“, betonte Christine Woopen, Professorin für Ethik und Theorie der Medizin an der Universität Köln, „denn wir brauchen Daten für die Forschung.“ Und im Hinblick auf die Datensparsamkeit: „Ein gutes Leben ist ein erfülltes Leben, kein sparsames Leben.“ Sie schlug vor, bei der Verwendung von Daten bestimmte „Verwertungsverbote“ einzuführen. So sollte es zum Beispiel gesetzlich untersagt sein, Gesundheitsdaten, insbesondere solche aus der Gendiagnostik, an Versicherer oder Arbeitgeber weiterzugeben. Statt mit Daten so sparsam wie möglich umzugehen, sollte es „Einwilligungsmodelle“ geben, die es den Menschen ermöglichen, festzulegen, wer welche ihrer Daten für welche Zwecke verwenden darf. „Die Bürgerinnen und Bürger denken also über ihre Präferenzen nach und können dann eine breite Einwilligung für die medizinische Forschung geben oder Beschränkungen vornehmen“, so Woopen. Diese Art der Datenverwendung sei auch ein „kultureller Wandel“. Dazu sei es allerdings wichtig, „die Menschen mitzunehmen“ – also öffentlich zu diskutieren, zu erklären, zu informieren und in der Summe Vertrauen zu schaffen. Anstatt sich von Blockaden und fehlenden Visionen leiten zu lassen, „sollten wir uns lieber an Menschen orientieren, die gesund bleiben oder werden wollen.“

Daten können Leben retten.
Foto: ©iStock.com/marchmeena29
Daten können Leben retten.
Foto: ©iStock.com/marchmeena29

Christof von Kalle verwies darauf, dass während der Corona-Pandemie „Menschen sterben mussten, weil wir bestimmte Daten nicht hatten. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass schon einmal jemand an einem Datenleck bei Facebook gestorben wäre.“ Datenschutz sei gut und wichtig, aber: „Wer möchte, dass seine Daten verwendet werden, sollte das auch dürfen.“

Der Moderator und Experte für Medizinrecht, Prof. Christian Dierks, zog am Ende das Resümée: „Es besteht nach wie vor ein hoher Handlungsbedarf. Wir brauchen eine Datenerhebung in sicheren Datenbänken und wir müssen diese Daten der Forschung zugänglich machen. Dabei ist es wichtig, die Bevölkerung mitzunehmen.“ Dierks sieht einige gute Ansätze in Sachen „DATA-Durchblick“, sagt aber auch: „Es kommt in der nächsten Legislaturperiode darauf an, diese Ansätze weiterzuentwickeln.“

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