Der Ökonom weiß: Gesundheitsausgaben sind keine Konsumausgaben. Denn im besten Fall haben sie nicht nur einen individuellen Nutzen (Heilung oder Kontrolle einer Erkrankung und der Folgen), sondern auch einen gesamtgesellschaftlichen Wert. Menschen, die nicht krank sind, können arbeiten, Steuern zahlen, konsumieren und auch ehrenamtlich der Gesellschaft einen Dienst leisten. Kranke können das nicht oder nur in einem eingeschränkten Maße. Gesundheitsausgaben – vernünftig gemanagt – können Investitionen in die Zukunft sein.
Wer in diese Gleichung noch die rapide alternde Gesellschaft aufnimmt, stellt schnell fest: Healthy ageing, also gesundes Altern, ist weniger ein Wellnessprojekt, sondern vielmehr knallhartes wirtschaftspolitisches Muss: „Adding life to years“ heißt es deshalb bei der Europäischen Union. Die steigende Lebenserwartung soll mit möglichst hoher Lebensqualität einhergehen: Nur mit gesunden Menschen ist ein Staat zu machen.
Gesundheit: Ein wichtiger Standortfaktor
Gesundheit ist ein wichtiger Wirtschafts- und Standortfaktor – das hat die aktuelle Pandemie im besonderen Maße deutlich gemacht. Wirtschaftliche Schäden von rund 375 Milliarden US-Dollar hatte der Internationale Währungsfonds (IMF) im vergangenen Jahr errechnet – im Monat. Da gab es noch keine zugelassenen Impfstoffe und Arzneimittel. IMF-Chefvolkswirtin Gita Gopinat erklärte damals im US-Sender CBS, dass die globale Verfügbarkeit von Impfstoffen, Arzneimitteln und Tests der weltweiten Konjunktur bis 2025 einen Schub geben könnte, dessen Wert sie auf neun Billionen US-Dollar taxierte. Die in Rekordtempo entwickelten COVID-19-Impfstoffe sind ein gewaltiges Konjunkturprogramm.
Es sind Innovationen wie diese, die vielleicht nicht die Berühmtheit von Pandemieimpfstoffen erlangen, aber die in ihren Indikationen medizinische Revolutionen (wie bei Hepatitis C) ausgelöst, bzw. deren ständige Weiterentwicklung (wie bei Diabetes) die Versorgung kranker Menschen kontinuierlich verbessert haben (s. Pharma Fakten-Grafik):
- Hepatitis C war bis 2014 eine schwer behandelbare Erkrankung. Acht bis zwölf Wochen dauert die medikamentöse Therapie mit der jüngsten Generation direkt wirkender antiviraler Wirkstoffe. Die Heilung ist fast garantiert.
- HIV war Ende der 1980er Jahre ein Todesurteil. Die Sterblichkeit ist dank moderner Therapien um über 90 Prozent zurückgegangen.
- Auch Menschen mit Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen profitieren von der modernen Medizin und innovativen Präparaten.
Beeindruckend ist auch der Rückgang der Sterblichkeit bei Krebs – gerade angesichts der vor allem altersbedingten Zunahme der Krebsfälle. Hier greifen gleich mehrere Faktoren: Mehr Prävention, mehr Screenings und Testungen, bessere Behandlungsmethoden mit immer gezielteren Therapieansätzen – all das hat dazu beigetragen, dass sich die altersstandardisierte Sterblichkeit von Männern in Europa allein seit 2015 um 6,6 Prozent und bei Frauen um 4,5 Prozent verringert hat (Pharma Fakten berichtete). Neue Krebsmedikamente haben daran einen wichtigen Anteil: In den USA wurden allen zwischen 2005 und 2015 achtmal mehr Onkologika neu zugelassen als zwischen 1975 und 1985. Studien, wie die von US-Wirtschaftsprofessor Frank Lichtenberg, belegen ihren Beitrag zu höherer Lebenserwartung und verringerten Ausgaben in anderen Sektoren, wie zum Beispiel bei Krankenhaustagen. Medikamentöse Innovationen im Bereich Krebs, so sein Fazit, sind „hochgradig kosten-effektiv.“
Diese wenigen Beispiele zeigen: In der Wissenschaft finden sich die Antworten, um kranke Menschen besser und erfolgreicher behandeln zu können. Was es braucht, um diese Antworten aufzudecken? Innovationsoffenheit. Die Ausgaben für innovative Behandlungsmethoden sind – gesamtgesellschaftlich betrachtet – gut angelegtes Geld.
