HIV: Auf der Suche nach der Heilung

Mit modernen Arzneimittelkombinationen ist es heute möglich, HIV gut zu kontrollieren. Das ist eine große Errungenschaft der Medizin: Als in den 1980er Jahren die ersten Fälle auftraten, war nur eine Sterbebegleitung möglich. Heilen lässt sich die Infektion bis heute nicht. Aber fragt man Expert:innen, ist das nur eine Frage der Zeit. Im Interview lässt Dr. Marion Heinzkill vom Biotech-Unternehmen Gilead die Entwicklung Revue passieren. Im Rahmen der Serie „Medizinische Zeitreisen“ wirft die Pharma Fakten-Redaktion einen Blick auf Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft: Wie werden Krankheiten HEUTE behandelt, wie war das GESTERN und was verspricht das ÜBERMORGEN?

Wo stehen wir HEUTE in der Therapie von HIV?

Dr. Marion Heinzkill, Gilead. 
Foto: Gilead Sciences
Dr. Marion Heinzkill, Gilead.
Foto: Gilead Sciences

Dr. Marion Heinzkill: Wir sind heute in der Lage das Virus im Körper der betroffenen Menschen gut zu kontrollieren; sprich: mit der individuell optimalen und konsequent durchgeführten antiretroviralen Therapie (ART) gelingt es, die Viruslast unter die Nachweisgrenze zu senken. Außerdem sind moderne HIV-Therapien gezielt dahin entwickelt worden, nicht nur gut wirksam, sondern auch möglichst gut verträglich zu sein. Und: Mit den heutzutage verfügbaren modernen Therapieoptionen sind auch die Ansprüche daran gestiegen. Neben einer Langzeitwirksamkeit und -verträglichkeit spielen eine hohe Resistenzbarriere, der Schutz des Immunsystems, eine reduzierte Anzahl von Arzneimittelwechselwirkungen, die Verhinderung einer HIV-Übertragung, aber insbesondere auch eine verbesserte Lebensqualität eine entscheidende Rolle. Das ist wichtig, denn nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, in der eine Heilung noch nicht möglich ist, sind Menschen mit HIV darauf angewiesen, ihre Arzneimittel ein Leben lang zu nehmen. Durch konsequente Forschung und Entwicklung innovativer HIV-Therapien ist es uns gelungen, dass Menschen mit HIV eine annährend hohe Lebenserwartung haben, wie Menschen ohne HIV.

Und: Sind sie mit ihrer Therapie optimal eingestellt verbunden mit einer regelmäßigen Einnahme, können sie so gut wie niemanden infizieren.

Wie war das GESTERN bzw. in der Vergangenheit?

Heinzkill: Die ersten Jahre nach der Entdeckung des HI-Virus waren furchtbar (Pharma Fakten berichtete). Den Ärzt:innen blieb im Grunde nur die Sterbebegleitung. Die ersten Arzneimittel kamen noch Ende der 1980er Jahren, wirkten zwar lebensverlängernd, hatten aber auch starke Nebenwirkungen. Der Durchbruch kam mit der so genannten HAART-Therapie (Hoch-Aktive antiretrovirale Therapie): Mit Hilfe der Protease-Inhibitoren als Kombinationstherapie gelang es das Virus in Schach zu halten. Das galt damals als das „Aids-Wunder“. Mit der Zeit ist es uns gelungen, immer verträglichere Therapien zu entwickeln. Und auch die Präexpositionsprophylaxe; kurz: PrEP, ist ein großer Schritt, um die HIV-Epidemie in den Griff zu bekommen: Mit diesem Medikament können sich Menschen mit einem höheren Infektionsrisiko in Kombination mit anderen Präventionsmaßnahmen wirksam gegen eine Übertragung des Virus schützen.

Werfen wir einen Blick auf das ÜBERMORGEN: Wie könnte die Zukunft im Bereich von HIV aussehen?

Heinzkill: Woran wir arbeiten, ist die Heilung: Warum soll uns hier nicht auch gelingen, was mit antiviralen Therapien bei Hepatitis C gelungen ist? Wir wissen, dass sich das Virus in kleinen Reservoirs in den Zellen versteckt. Unsere Forschungen gehen in diese Richtung. Das ist noch ein langer Weg, denn das HI-Virus hat es in sich. Bis heute ist es noch nicht gelungen, einen ausreichend wirksamen Impfstoff zu entwickeln. Aber wir sind optimistisch und setzen alles daran, dass wir das HI-Virus eines Tages eliminieren können.

Allerdings brauchen wir dazu auch mehr als gut wirksame und gut verträgliche Therapien zur Behandlung und Prophylaxe: Ein großes Problem bei der Bekämpfung und Eindämmung von HIV/AIDS ist nach wie vor die Diskriminierung und Stigmatisierung Betroffener. Deshalb engagieren wir uns weltweit auch in solchen Programmen, denn nur in einem Klima der Toleranz trauen sich betroffene Menschen zum Arzt zu gehen. Wir brauchen Aufklärung, Aufklärung und nochmals Aufklärung. Die Eliminierung von HIV muss auch in den Köpfen stattfinden – oder sie wird nicht passieren.

Weitere Artikel aus der Serie „Heute – Gestern – Übermorgen“ lesen Sie hier.

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