Neue Arzneimittel entwickeln: Leichter gesagt als getan

Über 6.000 Wirkstoffkandidaten befinden sich laut dem „IQVIA Institute for Human Data Science“ weltweit in klinischer Entwicklung. Es ist ein Plus von fast 70 Prozent im Vergleich zu 2016 – und das, obwohl die Herausforderungen, vor denen pharmazeutische Forscher:innen stehen, in den vergangenen Jahren nicht gerade kleiner geworden sind. Klinische Studien sind komplex, zeitintensiv – und erreichen allzu oft die gesetzten Ziele nicht. Doch Aufgeben kommt nicht in Frage. Der Innovations-Motor läuft auf Hochtouren.

Wie „produktiv“ oder ergiebig ein Projekt ist, entscheidet sich nicht nur an dem Ergebnis, das am Ende dabei herauskommt. Die Frage ist auch, welche Ressourcen, wie viel Zeit und Kraft hineingeflossen sind, um eben dieses Ergebnis zu erreichen. In Sachen Pharmaforschung zeigt sich: Noch nie war dieses Verhältnis zwischen „Input“ und „Output“ in den vergangenen zehn Jahren so ungünstig wie heute. Darauf weist der „Produktivitätsindex“ (s. Grafik) hin, mit dem das Beratungsunternehmen IQVIA verschiedene Parameter wie Erfolg („Output“) sowie Komplexität und Dauer („Input“) klinischer Studien in ein Verhältnis setzt.

Demnach ist die Erfolgsrate klinischer Entwicklung sinkend (in Grafik: blau). Das heißt: Ein immer kleinerer Anteil an Wirkstoffkandidaten schafft den Sprung in die nächsthöhere Entwicklungsstufe – also von Studien-Phase I zu Phase II, dann zu Phase III, bis schließlich zur Einreichung des Zulassungsantrags. Das IQVIA Institute erklärt sich das unter anderem mit einer zunehmend „riskanten und ehrgeizigen Forschung“ – im Fokus stünden vermehrt neuartige Wirkmechanismen („first in class“) oder Arzneimittel der nächsten Generation. Der „Appetit“, größere wissenschaftliche Wagnisse einzugehen, steige – gleichzeitig werde die Latte in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit neuer Präparate höher gelegt.

Produktivitätsindex: Setzt Input und Output klinischer Studien ins Verhältnis. 
Foto: ©iStock.com/shironosov
Produktivitätsindex: Setzt Input und Output klinischer Studien ins Verhältnis.
Foto: ©iStock.com/shironosov

Auswirkungen könnte zudem die COVID-19-Pandemie gehabt haben – zumindest was die Jahre 2020 und 2021 betrifft. Denn manche Studien wurden verschoben oder pausiert: In die Statistik gingen sie ggf. bislang als „nicht erfolgreich“ ein.

Pharmaforschung: Innovations-Motor

Weiter heißt es: „Die Dauer von Studien hat über die vergangenen zehn Jahre insgesamt zugenommen“ (in Grafik: orange). Ein Grund: Die Forschenden dringen in komplexere, seltenere Krankheitsgebiete ein – betroffene Menschen als Proband:innen zu rekrutieren ist besonders schwierig. Auch stehen die Patient:innen länger als früher unter Nachbeobachtung, um die Wirksamkeit einer Therapie zu untersuchen.

Immerhin: Nachdem klinische Studien gerade in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts immer umfangreicher wurden, hat die Komplexität zuletzt abgenommen (in Grafik: grün). Die Zahl der Länder und Standorte, an denen sie jeweils durchgeführt werden, ist insbesondere 2020 und 2021 gesunken. Das steht „vermutlich in Verbindung mit Bemühungen, Studien im Kontext der globalen Pandemie fortzuführen“. Gleichzeitig ist allerdings die Zahl der Proband:innen gestiegen – unter anderem wohl wegen der großangelegten Coronaimpfstoffstudien.

Der Bericht des IQVIA Institute macht deutlich: Wer Pharmaforschung betreibt, braucht einen starken Willen, einen langen Atem und eine hohe Frustrationstoleranz. Auf diese Weise schafften es 2021 84 neue Wirkstoffe weltweit über die Zulassungshürden: Sie stehen nun zur Behandlung von Menschen mit verschiedensten Krankheiten zur Verfügung.

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