Bei Mukoviszidose konnten in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden. Wird eines Tages eine Heilung möglich sein? / Foto: ©iStock.com/spukkato (Siam Pukkato)
Bei Mukoviszidose konnten in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden. Wird eines Tages eine Heilung möglich sein? / Foto: ©iStock.com/spukkato (Siam Pukkato)

Mukoviszidose-Therapie: Forschung, Fortschritt, Heilung?

Lebenserwartung: 50 Jahre. Mit dieser Zahl sind heute in Deutschland geborene Mukoviszidose-Patienten konfrontiert. Bis zu 8.000 Menschen leiden hierzulande insgesamt an der angeborenen, seltenen Stoffwechselerkrankung. 50 Jahre: Das ist nicht viel. Nichtsdestotrotz ist diese Zahl das Ergebnis eines enormen medizinischen Fortschritts. Und die Forschung ist noch lange nicht am Ende ihrer Kräfte: Ist in Zukunft gar eine Heilung möglich?

„Als ich noch klein war, starb meine älteste Schwester […] in einem Alter von 14 Jahren an Mukoviszidose. Ich verstand damals bereits die Dauerhaftigkeit ihres Todes. Aber erst, als ich eigene gesundheitliche Probleme bekam, wurde mir klar: ‚Oh mein Gott. Das kann mir auch passieren.‘“ Das ist die Geschichte von Jenny Livingston, die unter derselben Erkrankung wie ihre Schwester leidet. Jemals eigene Kinder zu haben – das war für sie lange Zeit reiner Wunschtraum. Dass sie inzwischen eine Tochter hat, bezeichnet sie als „Wunder“. Nun hofft sie, ihr Kind erwachsen werden zu sehen.

Mukoviszidose hat ihre Ursache in Mutationen im sogenannten Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR)-Gen. Die Folge: Die Betroffenen haben zu wenig funktionierende CFTR-Proteine – oder sie sind defekt. Eigentlich reguliert das CFTR-Protein den Salz- und Wasserhaushalt der menschlichen Zellen. Tut es das nicht, bildet sich ein zäher Schleim, der die Lunge, die Atemwege oder andere lebenswichtige Organe verstopft. Bei fast allen Patienten nimmt daher zum Beispiel die Lungenfunktion zunehmend ab; unter Umständen wird eine Transplantation notwendig. Häufigste Todesursache sind bei den Betroffenen Erkrankungen der Atemwege.

1938: Mukoviszidose erstmals beschrieben

80 Jahre ist es her, da gab eine US-amerikanische Kinderärztin der Erkrankung erstmals ihren Namen: „Cystic Fibrosis“. Kinder mit dieser Diagnose wurden damals nicht einmal ein Jahr alt. Doch mit der Zeit verstanden Wissenschaftler die Erkrankung immer besser. 1989 wurde mit dem CFTR-Gen das Gen entdeckt, welches die Erkrankung verursacht. Die Lebenserwartung eines heute in Deutschland geborenen Menschen mit Mukoviszidose liegt bei 50 Jahren, wie aus dem „Berichtsband 2017“ des Mukoviszidose e.V. zum Deutschen Mukoviszidose-Register hervorgeht. 

Antibiotika bei Mukoviszidose, Foto: © iStock.com/cosinart
Antibiotika bei Mukoviszidose, Foto: © iStock.com/cosinart

Das ist auch das Ergebnis der Forschung der vergangenen Jahre und der daraus resultierenden Therapiefortschritte. Heute sind einige Wirkstoffe verfügbar, die zur Behandlung bei der seltenen Stoffwechselerkrankung eingesetzt werden können. Sogenannte Mukolytika etwa unterstützen die Schleimlösung in den Atemwegen. Bei durch Mukoviszidose entstandenen Infektionen können Ärzte heutzutage auf Antibiotika (gegen Bakterien), Virostatika (gegen Viren) oder Fungizide (gegen Pilze) zurückgreifen. Bronchodilatatoren erweitern die Atemwege. Sind diese entzündet, werden antientzündliche Medikament verwendet. Derartige Arzneimittel haben den Patienten enorme Fortschritte gebracht.

CFTR-Modulatoren: an der Wurzel angreifen

Und doch gab es lange Zeit kein Medikament, das Mukoviszidose nicht nur symptomatisch angeht, sondern an der Wurzel der Störung angreift. Dies gelang erst 2012: Seitdem stehen sog. CFTR-Modulatoren zur Verfügung. Sie haben das Ziel, die Funktion des defekten bzw. fehlenden CFTR-Proteins zu verbessern oder sogar wiederherzustellen. 

Dr. Sieglinde Modell
© Vertex Pharmaceuticals
Dr. Sieglinde Modell
© Vertex Pharmaceuticals

Fast 25 Jahre haben Wissenschaftler gebraucht, um das Wissen über das CFTR-Gen in einen Wirkstoff zu übersetzen. „Selbst, wenn die genetische Ursache einer Erkrankung bekannt ist, ist es noch ein weiter Weg, Moleküle zu finden, die dort gezielt ansetzen“, weiß Dr. Sieglinde Modell, medizinische Direktorin beim Biotechunternehmen Vertex Pharmaceuticals. Das liegt auch daran, dass Mukoviszidose eine seltene Erkrankung ist. Nur sehr wenige Menschen sind betroffen – das macht die Erforschung des Leidens und die Entwicklung einer Therapie zu einer großen Herausforderung. Hinzu kommt: Es sind über 2.000 Mutationen im CFTR-Gen bekannt. Von mehr als 300 davon weiß man heute, dass sie auf die eine oder andere Weise die Stoffwechselerkrankung auslösen. „Das erfordert sehr viel chemische Forschung und sehr viel Grundlagenarbeit, um letztlich eine kausale Therapie entwickeln zu können“, so die Expertin.

Im Kampf gegen Mukoviszidose

Die nun zur Verfügung stehenden CFTR-Modulatoren richten sich an Patienten mit ganz bestimmten Mutationen des CFTR-Gens. Bei ihnen können sie beispielsweise die Lungenfunktion verbessern und stellen als erste kausale Mukoviszidose-Therapie einen „Durchbruch“ dar, wie Modell erklärt. Die Forschung geht weiter, um immer wirkungsstärkere Medikamente für ein zunehmend größeres Patientenspektrum entwickeln zu können: „Aktuell stehen für etwa ein Drittel der Betroffenen mutationsspezifische Therapien zur Verfügung. Es gilt, dies auf 90 Prozent zu steigern.“

„Wir dürfen jetzt nicht aufgeben und uns nicht auf dem, was wir bisher geschafft haben, ausruhen“, sagt Modell. „Schließlich geht es darum, eine Behandlung für alle Patienten zu finden. Das ist nur möglich durch einen erheblichen wissenschaftlichen Einsatz.“ Mit diesem Einsatz wollen forschende Pharmaunternehmen auch den Weg in Richtung Heilung gehen. „Letztlich ist das aufgrund der genetischen Verursachung der Erkrankung nur mit genetischen Methoden möglich“, meint die Expertin von Vertex. 

Mukoviszidose: Heilung dank Gentherapie?

DNA, Foto: © iStock.com/Design Cells
DNA, Foto: © iStock.com/Design Cells

Ein Ansatz könnte hier die Genschere CRISPR sein. Sie ermöglicht es, die DNA präzise an einer beliebigen Stelle zu durchtrennen. Dadurch lassen sich bestimmte Gene ausschalten, verändern oder neue Genabschnitte einfügen. „Diese Technologie könnte in Zukunft für diverse genetische Erkrankungen – wie Mukoviszidose – relevant werden“, kommentiert Modell. Die Idee lautet: mit CRISPR das krankhafte CFTR-Gen aus der DNA zu schneiden, zu korrigieren und durch ein gesundes Gen zu ersetzen. 

Geforscht wird im Rahmen der Gentherapie auch an Viren – denn sie sind mehr als nur gefährliche Krankheitserreger; für Wissenschaftler sind sie auch interessant als potentielle Gen-„Taxis“. Spezielle Virentypen – zum Beispiel sogenannte Lentiviren – werden dafür genetisch verändert und als eine Art Mitfahrgelegenheit genutzt, um funktionsfähige Gene in menschliche Zellen „einzuschleusen“. Bezogen auf Mukoviszidose bedeutet das: Ein sog. „viraler Vektor“ nimmt eine gesunde Kopie des CFTR-Gens Huckepack und transportiert sie in die Zielzellen der Patienten. Die Intention lautet, „bisher nicht dagewesene Möglichkeiten zu eröffnen – für Patienten mit dieser verheerenden Erkrankung, die händeringend auf bessere Behandlungsmöglichkeiten warten“, so Clive R. Wood, Forschungsleiter bei Boehringer Ingelheim.

Bis es eine Form der Gentherapie in die klinische Praxis schaffen kann, ist noch viel Forschungsarbeit notwendig. Doch ihr Versprechen ist groß: Sie könnte nicht nur Heilung bringen; sie könnte außerdem als universelle Behandlungsoption für alle Betroffenen in Frage kommen – unabhängig von der jeweiligen Mutation im CFTR-Gen.

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