Krebstherapie im Wandel

Die Behandlung von Krebserkrankungen wandelt sich in großen Schritten. Der Blick in die Forschungspipelines zeigt: Das ist wohl erst der Anfang.

Wie sehr sich die medikamentöse Therapie bei Krebs verändert hat, zeigt diese Zahl: Im Jahr 2008 war die Mehrheit (55%) der in den USA und den fünf größten Märkten Europas (EU5) verschriebenen Medikamente noch keine zielgerichtete Therapie. Zehn Jahre später machen monoklonale Antikörper und zielgerichtete so genannte Small Molecules  bei den Marktanteilen bereits über 70 Prozent aus (s. Grafik). Darauf macht der Beratungsunternehmen IQVIA aufmerksam: „Krebs ist eine Ansammlung komplizierter Erkrankungen. Und während die Medikamente durch das immer bessere Verständnis der zugrundeliegenden biologischen Prozesse zielgerichteter und personalisierter werden, wird die Behandlungslandschaft immer komplexer und fragmentierter.“

Das hat Auswirkungen, wie das Beispiel Nichtkleinzelliger Lungenkrebs (NSCLC) zeigt: Mit der Entwicklung zielgerichteter, auf bestimmte genetische Voraussetzungen ausgerichteter Medikamente sind entsprechende prognostische Biomarkertests entwickelt worden. Sie sollen sicherstellen, dass ein Patient, dessen Krebs auf bestimmten Anomalien beruht, auch das Medikament bekommt, das ihm am besten hilft. Für die Region EU5 gilt, dass die Mehrheit der auf einen spezifischen Biomarker getesteten Patienten auch ein Medikament erhält, was genau darauf abzielt; die Patienten können spezifischer behandelt werden, was potenziell die Behandlungschancen erhöht. 

Krebs: Immer kleinere Patientengruppen

Foto: CC0 (Stencil)
Foto: CC0 (Stencil)

Die Auffächerung von Krankheiten in verschiedene durch ihre Genetik definierte Ausprägungen (aus „Lungenkrebs“ wird „viele Lungenkrebse“) hat für die forschenden Pharmaunternehmen Folgen: Sie führt dazu, dass selbst bei größeren Indikationen ihre Medikamente nur noch auf immer fragmentiertere Patientengruppen zielen, was die Finanzierung von Forschungsaktivitäten vor immer größere Herausforderungen stellt. Gleichzeitig hat sich der Innovationswettbewerb unter den Unternehmen drastisch erhöht: IQVIA registriert in der vergangenen Dekade in Bezug auf Onkologika in der so genannten Late-Stage-Pipeline eine Zunahme von 60 Prozent.

Die forschende Pharmaindustrie sieht der Beratungskonzern Deloitte deshalb vor großen Herausforderungen. Das Unternehmen hat im neunten Jahr in Folge die Gewinne aus Forschung und Entwicklung (F&E) am Beispiel von zwölf großen Pharmaunternehmen (Large Caps) untersucht. Das Ergebnis: Die Verzinsung der F&E-Investitionen war im Jahr 2018 mit 1,9 Prozent so niedrig wie noch nie. Als Ursache hat Deloitte ausgemacht, dass sich die Entwicklungskosten pro Produkt (mitgerechnet: die gescheiterten Projekte) auf 2,168 Milliarden US-Dollar weiter erhöht haben, wohingegen sich die prognostizierten Umsätze seit dem Jahr 2010 mehr als halbiert haben. „Trotz der Markteinführung zahlreicher erfolgreicher Produkte machen es steigende Entwicklungskosten und die hohe Regulierungsdichte den Unternehmen so schwierig wie nie zuvor, ihr F&E-Investment wettzumachen“, fasst Colin Terry von Deloitte die Ergebnisse zusammen. 

Hoher Innovationsdruck und die Folgen

Hinzu kommt: Deloitte beobachtet in den vergangenen Jahren eine Verschiebung hin zu komplexeren Indikationsgebieten – neben der Onkologie sind das vor allem Erkrankungen des Zentralen Nervensystems. Dies verlängert tendenziell die klinischen Entwicklungszeiten, die in der Onkologie im Durchschnitt fast 9,5 Jahre betragen. Auch das ist eine Folge des hohen Innovationsdrucks: „Allein im Bereich der Immunonkologie sind über 1.000 klinische Studien angelaufen.“ Die rasant steigende Zahl von Wirkstoffkandidaten trifft auf eine Onkologie-Expertengemeinde, die nicht annährend so schnell wächst – und für die das Einschließen von Patienten in die Studien in dem gewünschten Zeitrahmen immer mehr zu einer Herausforderung wird.

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