Welchen Einfluss haben so genannte krankheitsmodifizierende Therapien auf den Verlauf der Multiplen Sklerose (MS)? Eine Studie aus Australien gibt Antworten. Foto: CC0 (Stencil)
Welchen Einfluss haben so genannte krankheitsmodifizierende Therapien auf den Verlauf der Multiplen Sklerose (MS)? Eine Studie aus Australien gibt Antworten. Foto: CC0 (Stencil)

Multiple Sklerose: „Früh und proaktiv behandeln“

Welchen Einfluss haben so genannte krankheitsmodifizierende Therapien auf den Verlauf der Multiplen Sklerose (MS)? Wie wichtig ist ein möglichst früher Therapiebeginn für den Behandlungserfolg? Diese Fragen haben sich Forscher an der Universität von Melbourne gestellt.

„Time matters“ – es ist unter MS-Experten schon lange Konsens, dass eine frühe Behandlung der Nervenerkrankung die Chancen auf Behandlungserfolg erhöht (Pharma Fakten berichtete). Und so lange MS nicht heilbar ist, gilt als Therapieziel, das Fortschreiten der Krankheit so weit wie möglich in die Zukunft zu verschieben, um damit die Unabhängigkeit der Patienten möglichst lange zu erhalten und ihnen die bestmöglich erreichbare Lebensqualität zu sichern.

Bei rund 80 Prozent der nichtbehandelten Patienten verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand innerhalb von zwei Jahrzehnten nach der Diagnose von einer schubförmig remittierenden MS (RRMS) in das nächste Stadium der Krankheit – die sekundär progrediente MS (SPMS), die zu meist irreversiblen Behinderungen führt. Das geht aus einer Studie hervor, die die Universität Melbourne durchgeführt hat und die Anfang 2019 in der Fachzeitschrift JAMA veröffentlicht worden ist. In der Untersuchung wurden aus mehreren Datenbanken die Daten von 1.555 MS-Patienten aus 68 klinischen Zentren in 21 Ländern herausgefiltert. Die Forscher wollten wissen: Was bringen die so genannten „Disease Modifying Therapies“ (DMT), also die krankheitsmodifizierenden Therapien, im Verlauf der Krankheit und lässt sich das Credo der möglichst frühen Behandlung auch mit Zahlen belegen?

Foto: CC0 (Stencil)
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Krankheitsmodifizierend: ein Durchbruch in der MS-Therapie

Als krankheitsmodifizierend gelten Arzneimittel, wenn sie den Verlauf einer Krankheit positiv beeinflussen können. In der Geschichte der MS war das Jahr 1993 deshalb ein Durchbruch, denn in den USA wurde das erste Beta-Interferon zugelassen – ein „Meilenstein in der Therapie“, wie die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (dmsg) schreibt. „Denn erstmals konnte direkt Einfluss auf den Krankheitsverlauf genommen werden: Die Schubrate wird verringert und die im MRT  sichtbaren Gewebeveränderungen können aufgehalten werden.“ 

In den Folgejahren konnten den Patienten weitere, verbesserte Beta-Interferone und mit Glatirameracetat ein weiterer Wirkstoff zur Verfügung gestellt werden. Heute können die behandelnden Ärzte zusätzlich auf orale Therapieoptionen sowie verschiedene monoklonale Antikörper und Immunsuppressiva bzw. -modulatoren zurückgreifen, die verschiedene Ansätze im Krankheitsverlauf als Ziel haben und deshalb eine immer patientenindividuellere Behandlungsstrategie ermöglichen.

Die Studienautoren verglichen die Daten unbehandelter Patienten mit denjenigen, die Beta-Interferone bzw. Glatirameracetat erhielten. Dann verglichen sie diese Gruppe mit denen, die Fingolimod (Immunsuppressivum), Natalizumab oder Alemtuzumab (beides Antikörper) verschrieben bekamen. Als Messpunkt wurde der Übergang zu einer sekundär progredienten MS (SPMS) definiert. Das Ergebnis – kurz und knapp: „Patienten mit einer schubförmig remittierenden MS, die initial mit Fingolimod, Alemtuzumab oder Natalizumab behandelt wurden, stehen im Zusammenhang mit einem geringeren Risiko für einen Übergang zu einer sekundär progredienten MS gegenüber Patienten, die initial Glatirameraceta oder Beta-Interferone  bekamen.“ Die australischen Forscher sind sich sicher, dass ihre Ergebnisse – „berücksichtigt in Zusammenhang mit den Risiken der Therapien“ – dabei helfen werden, bei der Auswahl der DMTs fundierte Entscheidungen zu treffen.

MS-Therapiebeginn: Je früher desto besser

Außerdem wollten die Autoren wissen, welchen Einfluss ein frühzeitiger Beginn der Therapie hat. Sie verglichen die Daten von Patienten, die innerhalb von fünf Jahren nach Auftreten der Erkrankung mit DMTs behandelt wurden gegenüber denjenigen, die erst später behandelt wurden. Und auch hier fanden sie ein „signifikant“ niedrigeres Risiko, dass MS-Erkrankte in der Erkrankung in Richtung einer SPMS fortschreiten. Je früher nach Diagnose die Behandlung beginnt, desto besser.

„Diese Studie zeigt uns, wie wichtig es ist, die schubförmig remittierenden MS früh und proaktiv zu behandeln“, so Co-Autor Professor Tomas Kalincik. Und er empfindet die Ergebnisse nicht nur für Neurologen, sondern vor allem für deren Patienten als ermutigend: „Sie zeigen, dass die Therapien, mit denen sie für so viele Jahre behandelt wurden, auf lange Sicht signifikant ihre Lebensqualität verbessern.“

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