Bevor ein Medikament tatsächlich beim Patienten ankommt  muss es einige Herausforderungen meistern. Foto: CC0 (Stencil)
Bevor ein Medikament tatsächlich beim Patienten ankommt muss es einige Herausforderungen meistern. Foto: CC0 (Stencil)

Patente: Die Lizenz zum Gelddrucken?

Patente auf Arzneimittel haben den Ruf, eine Lizenz zum Gelddrucken zu sein. Dass pharmazeutische Unternehmen ihre neu entwickelten Wirkstoffe mit Patenten schützen können, ist vielen ein Dorn im Auge. Deshalb wird in regelmäßigen Abständen gefordert, das System zu überarbeiten. Klingt gut? Langfristig wäre das wohl eine Strategie, die nach hinten losgehen würde. Denn Leidtragende könnten die Patienten von morgen sein.

900 Milliarden Euro – diese Summe werden forschende Pharmaunternehmen in dem Jahrfünft zwischen 2015 und 2020 in die Erforschung neuer Medikamente investieren, rechnet der europäische Verband der Pharmaunternehmen und ihrer Verbände EFPIA vor. Im Kampf gegen Krebs, Alzheimer oder Diabetes stehen sie in einem harten Innovationswettbewerb: Wird in den klinischen Studien bestätigt, was die Grundlagenforschung vermuten ließ?  Ist der neue Wirkstoff nicht nur wirksam, sondern auch sicher? Gelingt ein Durchbruch? Das ist nur ein Teil der Fragen, die sich ein pharmazeutischer Unternehmer stellen muss, bevor er beschließt, in ein Molekül zu investieren.

Medikamente zu entwickeln ist ein langwieriger, wirtschaftlich riskanter Prozess – von der Entdeckung eines vielversprechenden Moleküls bis zur Zulassung vergehen schnell mehr als zehn Jahre. Die überwältigende Mehrheit der in der Grundlagenforschung angefassten Moleküle schafft es gar nicht erst dorthin. Trotzdem ist es ein Modell, das unter dem Strich gut funktioniert, wie bereits einige wenige Beispiele zeigen: 

Das sind Fortschritte, die nicht vom Himmel fallen; bei all diesen Errungenschaften spielen neue Medikamente eine wichtige oder sogar entscheidende Rolle. Aber diesen Fortschritt gibt es nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Schutz des geistigen Eigentums: Der Fortschritt fällt nicht vom Himmel

© denisismagilov - stock.adobe.com
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Teil dieser Rahmenbedingungen sind Patente. Sie schützen geistiges Eigentum. Sie sollen sicherstellen, dass der Erfinder einen Erfinderlohn erwirtschaften kann und sind damit Anreiz, dass Investitionen in mögliche Innovationen überhaupt in Angriff genommen werden. Warum hätte Artur Fischer seinen legendären Wanddübel erfinden sollen – mit allen damit verbundenen Investitionen, Untersuchungen, Tests und Fehlschlägen – wenn er dafür nicht die Aussicht gehabt hätte, mit seinen Fischer-Dübeln einmal Geld zu verdienen? Mit dem Patent DE-1097117 zum „Spreizdübel“ von 1961 sicherte er seine Schöpfung ab. Beim Bundeswirtschaftsministerium heißt es deshalb:

„Geistiges Eigentum muss wirksam geschützt werden – national und vor allem international. Dies ist für unsere zukunfts- und technologieorientierte Wirtschaft zentrales und existenzielles Thema; nur dann haben ihre Innovationen auch die Möglichkeit, sich im Markt zu etablieren und zu behaupten.“ 

Aber: Patente sind trotzdem nicht unumstritten. Für viele sind sie eher Innovationshemmnis, denn -motor, denn natürlich schaffen sie erst einmal Monopole. Und Monopole ermöglichen es, Preise relativ frei zu gestalten. Zumindest für eine Zeit. Die Kernfrage lautet: Fördert der Patentschutz im Bereich der Medikamentenentwicklung Innovationen oder behindert er sie? Konkreter: Sind Patente auf neue pharmazeutische Wirkstoffe ein Segen, weil sie Forschung incentivieren oder ein Fluch, weil sie Medikamente unnötig verteuern?

Patente schützen vor Nachahmung

Patente haben im Wesentlichen zwei Funktionen. Erstens machen sie Innovationen allgemein zugänglich, denn sie werden veröffentlicht. Das Verfahren sorgt für Transparenz, denn andere Forscher können die Erkenntnisse nutzen und sie in ihren Arbeiten berücksichtigen. Das fördert den Fortschritt. „Zum Zweiten schützen sie deren wirtschaftliche Nutzung für eine gesetzlich festgelegte Zeit vor Nachahmung – zu Gunsten der Firma, die die Erforschung und Entwicklung finanziert und durchgeführt hat“, schreibt der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)

20 Jahre wird der Schutz gewährt. Für die Pharmabranche ist das aber nur ein theoretischer Wert, denn sie muss den Patentschutz für ein neues Moleküle bereits sehr früh im Entwicklungsprozess beantragen – lange bevor der Prüfwirkstoff seine Zulassung bekommt, die Voraussetzung für die Vermarktung ist. Nur: Gerade auch im Vergleich mit anderen Branchen können die Entwicklungszyklen sehr lang sein. Die Zeit, die Zulassungsbehörden für die Prüfung neuer Therapien brauchen, geht ebenfalls auf Kosten der Patentlaufzeit. Im Schnitt haben forschende Pharmaunternehmen deshalb nur etwa 12 Jahre Marktexklusivität. 

Allerdings gibt es zusätzlich zu den Patenten noch ergänzende Schutzzertifikate, die es dem Patenthalter ermöglichen, seine Erfindung für bis zu weitere fünf Jahre schützen zu lassen. Mit der Verordnung Nr. 469/2009 des europäischen Parlaments und des Rates trägt die EU den Besonderheiten bei der Entwicklung von Arzneimitteln Rechnung: „Die Forschung im pharmazeutischen Bereich trägt entscheidend zur ständigen Verbesserung der Volksgesundheit bei“, heißt es dort zur Begründung. Und: „Es besteht die Gefahr, dass die in den Mitgliedstaaten gelegenen Forschungszentren nach Ländern verlagert werden, die einen größeren Schutz bieten.“ Die Schutzzertifikate sollen das verhindern.

Tatsache ist: Für forschende Unternehmen ist die Refinanzierung von Innovationen wirtschaftlich noch riskanter geworden. Denn Patentschutz verhindert nicht, dass ein Konkurrenz-Unternehmen ein Medikament in einem bestimmten Indikationsgebiet und mit gleichem Wirkprinzip, aber mit unterschiedlichen molekularen Strukturen entwickeln kann. Und so hat sich die Lage forschender Pharmaunternehmen in den vergangenen Jahren massiv verändert. Wer in 1970er Jahren ein so genanntes „First-in-Class“-Medikament in die Apotheken brachte, hatte den Markt in der Regel rund zehn Jahre für sich allein. Bereits Anfang der 2000er-Jahre war diese Zeitspanne auf rund 2,5 Jahre geschrumpft. Das zeigen Untersuchungen aus den USA (s. healthaffairs.org). Ganz nebenbei: Was für die Unternehmen eine Herausforderung ist, hat positive Auswirkungen auf die Versorgung der Menschen. Es stehen Therapieoptionen zur Verfügung. 

Auslizensierungen: Patente flexibel handhaben

Trotzdem ist das Patentsystem nicht starr, wie das Beispiel der Auslizensierungen zeigt. Denn in Ländern, in denen die Krankheitslast hoch ist, entsprechende Ressourcen aber nicht verfügbar sind und wo ein Gesundheitssystem schlicht nicht in der Lage ist, patentgeschützte Innovationen zu verkraften, arbeiten viele Pharmaunternehmen mit Organisationen wie dem Medicines Patent Pool (MPP) zusammen. Die Idee: Generikahersteller erhalten die Lizenz, patentgeschützte Medikamente herzustellen und zu vertreiben. Es ist ein System, das gerade bei der globalen Bekämpfung von HIV und Hepatitis C eine wichtige Rolle spielt. Mittlerweile werden laut UNAIDS 21,7 Millionen HIV-positive Menschen mit Medikamenten versorgt (Zahlen von 2017) – ohne einen kreativen und flexiblen Umgang mit dem Patentsystem ein Ding der Unmöglichkeit.

Das Patentrecht ist für die forschungsintensive Pharmabranche, die 14 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert (Quelle: BPI), eine zentrale Rahmenbedingung für ein Umfeld, in dem Innovationen gedeihen können. 7.000 Medikamente befinden sich laut EFPIA in der klinischen Entwicklung: „Ohne geistige Eigentumsrechte wäre das schlicht nicht möglich“.

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