Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen: eine 34-Milliarden-Euro-Chance?

Es ist kein Geheimnis: In Sachen Digitalisierung ist im deutschen Gesundheitswesen noch viel Luft nach oben. Das weiß auch die Unternehmensberatung McKinsey – und hat das Nutzenpotenzial von 26 digitalen Gesundheitstechnologien untersucht. Das Ergebnis: Sie könnten zu Einsparungen von bis zu 34 Milliarden Euro jährlich führen.

„Das Potenzial von 34 Mrd. Euro setzt sich einerseits aus Effizienzsteigerungen, andererseits aus Reduzierung unnötiger Nachfrage zusammen.“ So erklärt McKinsey-Partner Stefan Biesdorf die Studienergebnisse. 

Größtes Nutzenpotenzial: papierlose Daten

Das größte Nutzenpotenzial verspricht die Umstellung auf papierlose Daten (9,0 Mrd. Euro). Dazu gehört zum Beispiel das E-Rezept. Dieses hat das Bundeskabinett im Rahmen des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) auf den Weg gebracht: Das GSAV, das inzwischen dem Bundesrat zur Beratung zugeleitet wurde, soll die Selbstverwaltung dazu verpflichten, innerhalb von sieben Monaten nach Inkrafttreten (voraussichtlich: Mitte 2019) die notwendigen Regelungen zu schaffen, die elektronische Verordnungen ermöglichen.

Zu dem Bereich „papierlose Daten“ zählt außerdem eine einheitliche elektronische Gesundheitsakte, in der alle Patienteninformationen gespeichert sind. Damit ließen sich laut Studie allein 6,4 Milliarden Euro einsparen. McKinsey hofft auf schnellere, reibungslosere Abläufe zwischen den Leistungserbringern. „Deutschland diskutiert noch, unsere Nachbarn sind schon weiter: In Österreich begleitet ELGA, die elektronische Gesundheitsakte, die Bürger von Arzt zu Arzt und in das Krankenhaus. In Schweden, Dänemark und Estland verschicken Ärzte elektronisch Rezepte an Patienten oder gleich an die Apotheke“, stellt die Unternehmensberatung fest.

Digitalisierung im Gesundheitswesen: Patient im Fokus

Foto: CC0 (Stencil)
Foto: CC0 (Stencil)

Verpasst Deutschland den Zug? Immerhin: Schon heute gibt es digitale Instrumente auf dem Markt, die die Menschen beispielsweise im Umgang mit ihrer Erkrankung unterstützen. So hat das Pharmaunternehmen Servier ein Online-Therapieprogramm für leichte bis mittelschwere Depressionen entwickelt, dessen antidepressive Wirksamkeit in mehreren wissenschaftlichen Studien nachgewiesen wurde (s. Pharma Fakten). Auch gibt es Tools, die etwa Diabetiker an ihre Medikamenteneinnahme erinnern. Das klingt nach einer Lappalie, ist es aber nicht. Denn schlechte Therapietreue kann gerade bei chronisch kranken Menschen negative, gesundheitliche Folge haben – und kostet die Gesundheitssysteme in Europa jährlich mehrere Milliarden Euro (s. Pharma Fakten). 

3,8 Milliarden Euro Nutzenpotenzial schreibt McKinsey insgesamt dem Bereich „Patientenselbstbehandlung“ zu – dazu gehören digitale Anwendungen für das Management chronischer Erkrankungen, aber auch Technologien, die eine Ferndiagnose ermöglichen, oder Apps und Fitnesstracker, welche einem ungesunden Lebensstil (und Erkrankungen) vorbeugen.

Digitalisierung? „Nichtstun ist keine Option.“

Angesichts von möglichen Einsparungen in Höhe von bis zu 34 Milliarden Euro pro Jahr gilt laut McKinsey: „Für ein effizienteres und effektiveres digitales Gesundheitssystem müssen die Akteure jetzt die Bedingungen schaffen. Es lohnt sich. Nichtstun ist keine Option: Der zu realisierende Nutzen ist so groß, dass sich auf jeden Fall jemand findet, der ihn erschließen wird.“ 

Die Unternehmensberatung ist sich sicher: „Die Digitalisierung des Gesundheitssystems wird alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette betreffen, auch die Pharma- und Medizintechnikunternehmen.“ Bei ihnen lautet ein Stichwort zum Beispiel „beyond the pill“ (Pharma Fakten berichtete). Die Idee: Arzneimittelmittel und digitale Anwendung (z.B. in Form einer App) verschmelzen zu einem innovativen Gesamtpaket – im Sinne der Patienten.

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