HPV-Infektion und Gebärmutterhalskrebs: Alle Instrumente für eine Eliminierung sind vorhanden. Foto: © iStock.com/Pornpak Khunatorn
HPV-Infektion und Gebärmutterhalskrebs: Alle Instrumente für eine Eliminierung sind vorhanden. Foto: © iStock.com/Pornpak Khunatorn

Gebärmutterhalskrebs: Eliminierung ist möglich

Ändert sich nichts an den heutigen Durchimpfungsraten und Screenings, könnten sich die Fälle von Gebärmutterhalskrebs weltweit mehr als verdoppeln. Dabei sind alle Instrumente vorhanden, um die Erkrankung zu eliminieren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat deshalb vergangenes Jahr dazu aufgerufen, Gebärmutterhalskrebs den Kampf anzusagen. Aber geht das überhaupt? Ein Team um die australische Mathematikerin Kate T. Simms hat jetzt erstmals ein Rechenmodell vorgelegt. Ergebnis: Gehen ginge es schon. Aber es braucht viel Zeit. Und bedarf einer gewaltigen globalen Anstrengung.

Ein Hannover pro Jahr: Rund 530.000 Frauen wurden 2012 weltweit mit Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert – so viele Menschen leben in der niedersächsischen Stadt. „Alle zwei Minuten stirbt eine Frau an Gebärmutterhalskrebs – es ist eine der größten Bedrohungen für die Gesundheit von Frauen“, stellte Tedros A. Ghebreyesus fest. Pro Jahr sind es eine viertel Million. Der Äthiopier ist Direktor der WHO und hat im Mai vergangenen Jahres in einem „Call for Action“ dazu aufgerufen, diesem Krebs den Kampf anzusagen. Fast flehentlich klang es, als er sagte: „Hätten wir doch Impfungen gegen jede Form von Krebs.“ Und: „HPV-Impfstoffe sind wahrhaft wundervolle Erfindungen.“

Die vorhandenen Impfstoffe gelten als hocheffektiv – bis zu 90 Prozent der Zervixkarzinome können sie vermeiden helfen. Doch Vakzine allein tun es nicht. Sie sind ein zwar wichtiges, vielleicht auch ein entscheidendes Element in einer Eliminierungsstrategie. Aber um die Erkrankung nachhaltig zu bekämpfen, muss wesentlich mehr passieren: Frauen müssen Zugang zu einem Screening und einer schnellen und effektiven Behandlung haben, sollten Vorstufen oder der Krebs selbst entdeckt werden. Noch einmal der WHO-Direktor: „Gebärmutterhalskrebs ist einer der vermeidbarsten und gut behandelbaren Krebsarten, so lange er früh entdeckt und gut behandelt wird.“ Wenn nichts passiert, werden die Todesfälle durch Gebärmutterhalskrebs um 50 Prozent zunehmen, sagt er voraus.

Gebärmutterhalskrebs: eine Verdopplung der Fälle weltweit wahrscheinlich

Die Studie von Kate T. Simms legt erstmals Projektionen vor, welche Auswirkungen Gebärmutterhalskrebs auf globaler Ebene hat bzw. haben wird. Dafür wurden verschiedene Szenarien durchgerechnet und Daten aus fünf Kontinenten wie z. B. Neuerkrankungsraten, Bevölkerungsentwicklung und Altersstrukturen oder Impfraten berücksichtigt. In dem in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichten  Papier sagen die Wissenschaftler für die kommenden 50 Jahre 44,4 Millionen neue Fälle von Zervixkarzinom voraus, sollte in Sachen Durchimpfungsraten und Screening alles so bleiben wie es ist. Die im Jahr 2012 ermittelten Fälle (530.000 Frauen p.a.) würde im Jahr 2020 auf rund 600.000 steigen, um sich bis zum Jahr 2069 mehr als zu verdoppeln (1,3 Mio.).
 

85% der Fälle von Gebärmutterhalskrebs werden in den weniger entwickelten Ländern registriert. Foto: CC0 (Stencil)
85% der Fälle von Gebärmutterhalskrebs werden in den weniger entwickelten Ländern registriert. Foto: CC0 (Stencil)

Wie viele andere auch, unterteilt auch das HP-Virus die Welt in zwei Teile: 85 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs trifft Frauen in weniger entwickelten Ländern. Während in den entwickelteren Regionen der Welt unter den 10- bis 20-jährigen Mädchen und Frauen Impfraten von durchschnittlich mehr als 30 Prozent erreicht werden, sind es in der sich entwickelnden Welt weniger als drei Prozent. Länder wie Australien machen hingegen vor, wie es gehen kann: Ein seit Jahrzehnten etabliertes Screening, die Einführung von Schulimpfungsprogrammen und die damit einhergehenden hohen Impfraten zeigen Erfolge. Nach einer Hochrechnung dürfte dort die jährliche Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs bis zum Jahr 2020 auf sechs und bis 2028 auf vier neue Fälle pro 100.000 Frauen fallen.

Australien ist „on track“, was die Eliminierung von HPV-bedingten Krebsarten angeht. Allein durch Schulprogramme konnten in Australien Impfraten von 80 Prozent erreicht werden – Zahlen, von denen Deutschland nur träumen kann. Das Robert Koch-Institut gibt in seinem Epidemiologischen Bulletin 1/2018 für 15-jährige Mädchen ein Impfquote von 31,3 Prozent an. Die Zahl stammt allerdings aus dem Jahr 2015. Seit vergangenem Jahr wird die Impfung auch für Jungen empfohlen.

Doch zurück zu den Ergebnissen des Rechenmodells:

  • Würden bis 2020 Impfraten in Höhe von 80 bis 100 Prozent erreicht, könnten in den kommenden 50 Jahren bis zu 7,7 Millionen Krebsfälle vermieden werden.
  • Würden in Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen HPV-Screening-Programme mit dem Ziel eingeführt, dass Frauen zweimal im Leben getestet werden, könnten insgesamt sogar bis zu 13,4 Millionen Krebsfälle vermieden werden.
  • In Ländern mit einem sehr hohen Human Development Index (HDI)  könnten in diesem „sportlichen“ Szenario die Inzidenzraten bis 2055 – 2059 auf unter 4 Fälle pro 100.000 Individuen gedrückt werden.
  • Für den Rest der Welt würde diese Inzidenzrate am Ende des Jahrhunderts erreicht sein.

Eine Inzidenzrate von weniger als 4 Fälle auf 100.000 gilt momentan als Definitionsgrundlage einer Eliminierung von Gebärmutterhalskrebs als ein „Problem der öffentlichen Gesundheit“ („elimination of a public health problem“). Zusätzlich hat Simms und ihr Team noch verschiedene abweichende – und wahrscheinlich realistischere – Szenarien errechnet.

Eliminierung von HPV: Eine Frage des Wollens

Im Kampf gegen das Zervixkarzinom fehlten bisher belastbare Zahlen. Und deshalb dürfte der Wert der Studie von Kate T. Simms darin liegen, dass sie aufzeigt, welches Potential in einer weltweiten Eliminierungsstrategie liegt; sprich: was unter welchen Voraussetzungen erreicht werden kann. Wie alle mathematischen Modelle, die die Zukunft berechnen wollen, hat sie ihre Limitationen. Auf der Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly) 2020 soll eine Strategie zur Beschleunigung der Eliminierung von Gebärmutterhalskrebs diskutiert werden. Kate T. Simms kann sich sicher sein, dass ihre Studie dort Gehör findet. Denn die Instrumente für eine weltweite Eliminierung sind vorhanden. Ihre Umsetzung ist eine Frage des Wollens – und weniger des Könnens.

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