Der Bundesrat hat jetzt einem umstrittenen Gesetz zugestimmt  das die Sicherheit in der Arzneimittelversorgung verbessern soll. Foto: CC0 (Stencil)
Der Bundesrat hat jetzt einem umstrittenen Gesetz zugestimmt das die Sicherheit in der Arzneimittelversorgung verbessern soll. Foto: CC0 (Stencil)

Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV): „Verpasste Chance“

Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) wird voraussichtlich noch im Juli in Kraft treten. Nach dem Bundestag hat am 28. Juni auch der Bundesrat dem Entwurf des Gesundheitsministeriums zugestimmt und damit die Empfehlungen seines Gesundheitsausschusses ignoriert – dieser hatte das Gesetz vor einer Zustimmung in den Vermittlungsausschuss überweisen wollen. Aus guten Gründen.

Im Januar 2019 telefonierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit Jörg Geller, Vorstand der Kohl Medical AG, einem großen Arzneimittelimporteur aus dem Saarland. In dem Gespräch ging es um das geplante GSAV – konkrete Inhalte des Telefonats sind nicht bekannt. Ein Regierungsentwurf vom 11. Januar sah unter anderem vor, die umstrittene Importförderklausel für Arzneimittel komplett zu streichen – Apotheker sollten also nicht mehr gezwungen werden, preisgünstigere Medikamente, die aus dem Ausland importiert werden, abzugeben, wenn diese von einem Unternehmen wie der Kohl Medical AG angeboten werden.

Kehrtwende bei Importförderklausel

Einige Zeit nach Altmaiers Telefonaten allerdings, am 27. März, sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum GSAV plötzlich komplett anders aus. Apotheker sollen nun zu einer Abgabe dieser Mittel verpflichtet werden, wenn sie bei einem Abgabepreis von bis zu 100 Euro mindestens 15 Prozent günstiger, bei einem Abgabepreis zwischen über 100 und bis zu 300 Euro mindestens 15 Euro günstiger und bei einem Abgabepreis über 300 Euro mindestens 5 Prozent günstiger sind. Das Problem dabei: Die Sicherheit der Arzneimittelversorgung wird auf diese Weise nicht gestärkt. Im Gegenteil.

© john9595 - stock.adobe.com
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Aber der Reihe nach. In den vergangenen Jahren erschütterten mehrere Arzneimittelskandale das Land: Gerüchte um mutmaßlich gestohlene Krebsmedikamente machten die Runde; ein Blutdrucksenker wurde zurückgerufen, nachdem es bei einem chinesischen Zulieferer zu Verunreinigungen bei der Produktion gekommen war; ein Apotheker aus Bottrop wurde im Zusammenhang mit gestreckten Krebsmedikamenten zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Mit dem GSAV wollte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn solche Vorfälle in Zukunft verhindern und außerdem den Weg für das längst überfällige elektronische Rezept freimachen – dieses steigert die Sicherheit, weil Wechselwirkungen schneller erkannt werden.

Das Gesetz enthält viele gute Ansätze, wie auch die Linken-Abgeordnete Susanna Karawanskij bei der abschließenden Bundesratsdebatte betonte: „Wir wollen das Gesetz nicht verhindern“, erklärte sie, aber statt „unseriöser Schnellschüsse“ wolle sie eben auch ein Gesetz, das die Sicherheit der Patienten tatsächlich erhöht. Zu den weiteren Punkten des GSAV zählen neben dem eRezept auch neue Regelungen bzgl. der Versorgung mit Biosimilars als Nachbildungen patentfrei gewordener Biopharmazeutika, der erleichterte Einsatz von medizinischem Cannabis oder eine Ermächtigung des G-BA, Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu beschließen.

Importe als Einfallstor für Fälschungen

Aber es gibt Kritik, vor allem an der Importförderklausel. Noch am Vorabend der Abstimmung warnte Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbandes: „Importe bleiben – ganz ohne Not – ein Einfallstor für Arzneimittelfälschungen, das man ganz leicht schließen kann.“ Arzneimittelimporte erhöhen nicht nur das Risiko für die Patienten, gefälschte Medikamente zu erhalten, sondern sie erzielen auch nur geringe Spareffekte, die in keinem Verhältnis zum bürokratischen Aufwand stehen. Außerdem fehlen importierte Medikamente in den Ländern, für die sie eigentlich gedacht waren. 

Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Martin Zentgraf, sprach nach der Bundesratszustimmung von einer „verpassten Chance“. Die Länder hätten es eigentlich besser wissen müssen, schon wegen ihrer „größeren Nähe zur Versorgungsrealität.“ Sie müssten ihre demokratisch verankerten Rechte auch nutzen, denn, so Zentgraf: „Föderalismus braucht Widerstand, sonst ist er eine Nullnummer und die zunehmende Politikverdrossenheit findet weitere Gründe.“

Die Telefonate von Peter Altmaier mit dem saarländischen Importeur kamen übrigens durch eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE an die Bundesregierung ans Licht. Peter Altmaier stammt aus dem Saarland. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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