Im Pharma Fakten-Interview erklärt Dr. Franz Böhme  Leiter Medical Affairs Onkologie/Hämatologie bei Bayer Vital  wie Radioaktivität in der Therapie von Krankheiten zum Einsatz kommt. Foto: © Gorodenkoff Productions - iStock
Im Pharma Fakten-Interview erklärt Dr. Franz Böhme Leiter Medical Affairs Onkologie/Hämatologie bei Bayer Vital wie Radioaktivität in der Therapie von Krankheiten zum Einsatz kommt. Foto: © Gorodenkoff Productions - iStock

Radioaktive Arzneimittel: Gezielte Strahlung gegen Krankheiten

„Strahlenangst oder Radiophobie ist die Angst vor negativen Folgen bestimmter Strahlungsarten.“ So lautet ein Eintrag in der freien Enzyklopädie Wikipedia. Dabei kann Radioaktivität, d.h. die Eigenschaft instabiler Atomkerne sich von selbst unter Abgabe von Strahlung umzuwandeln, sinnvoll genutzt werden – etwa in der Medizin. Zielgerichtet und schonend: So kommen sogenannte Radiopharmaka gegen Krankheiten wie Prostatakrebs zum Einsatz. Ein Interview mit Dr. Franz Böhme, Leiter Medical Affairs Onkologie/Hämatologie bei Bayer Vital.

In Diagnostik und Therapie vieler Erkrankungen kommen radioaktive Arzneistoffe zum Einsatz. Was genau sind Radiopharmaka?

Dr. Franz Böhme, © Bayer Vital
Dr. Franz Böhme, © Bayer Vital

Dr. Franz Böhme: Radiopharmaka werden in der Nuklearmedizin bereits seit Jahrzehnten eingesetzt und haben einen wichtigen Stellenwert bei der Diagnostik und Therapie von zahlreichen Krankheiten. Sie bestehen entweder komplett aus einer radioaktiven Substanz oder aus einer Trägersubstanz, an die die radioaktive Substanz gekoppelt wird. Sie werden meist intravenös verabreicht und kommen zum Beispiel bei der Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen oder bei der Krebstherapie (z.B. Prostatakrebs) zum Einsatz. 

Radiopharmaka geben im Körper Strahlung ab. Ist das nicht gefährlich für den Patienten?

Böhme: Im Sinne eines Therapieansatzes geht es bei Radiopharmaka prinzipiell darum, dem Patienten eine sehr zielgerichtete und schonende Therapie zur Verfügung zu stellen, die den Krankheitsverlauf nachhaltig positiv verändert. Die radioaktiven Substanzen in Radiopharmaka zeichnen sich primär durch eine kurze Reichweite aus. Sie verteilen sich nicht im ganzen Körper, sondern wirken zum größten Teil genau dort, wo sie gebraucht werden. Wenn sie z.B. gegen Metastasen einer Krebserkrankung wirken sollen, lagert sich die Substanz genau dort ab. Auf diese Weise wird umliegendes Gewebe kaum geschädigt. 

Stichwort Therapie: Können Sie uns anhand eines Beispiels den Wirkmechanismus von Radiopharmaka erklären?

Böhme: Ein interessantes Einsatzgebiet von Radiopharmaka ist die Therapie des fortgeschrittenen Prostatakrebses. In spätem Stadium leiden neun von zehn Patienten unter Knochenmetastasen, die für den Patienten sehr schmerzhaft sind.  Bayer bietet für diese Patienten einen Alpha-Strahler, der auf der radioaktiven Substanz Radium basiert. Dieses Element weist ähnliche Eigenschaften wie Calcium – dem Stoff, aus dem Knochen hauptsächlich bestehen – auf. Das Medikament kann sich als Calcium „tarnen“ und sich ganz gezielt in Bereichen mit hohem Knochenumsatz, z.B. Knochenmetastasen, einlagern. Dort zerfällt der Wirkstoff, was zu Doppelstrangbrüchen der Tumor-DNA und letztendlich potentiell irreparablen Zerstörung der Tumorzellen führt. Aufgrund der geringen Reichweite des Alphastrahlers bleibt umliegendes gesundes Gewebe weitgehend verschont.

3D-Abbildung einer Krebszelle / Bild: © Christoph Burgstedt - iStock
3D-Abbildung einer Krebszelle / Bild: © Christoph Burgstedt – iStock

Was sind die spannendsten Entwicklungen, die Sie aktuell im Bereich der Radiopharmaka-Forschung beobachten?

Böhme: In den kommenden Jahrzehnten wird der Einsatz von Radiopharmaka im Bereich der Onkologie weiter an Bedeutung gewinnen. Bayer forscht zum Beispiel an weiteren zielgerichteten Alphatherapien. Ziel ist eine sehr zielgerichtete Schädigung des Tumors, die ein Absterben der Krebszellen bewirkt, ohne das umgebende gesunde Gewebe übermäßig zu schädigen. Dadurch kann die Lebensqualität der Patienten meist erhalten bleiben. Derzeit laufen Studien in den Bereichen schwer zu behandelndem Brust- und Prostatakrebs sowie Mesotheliom.

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