Die Welt im Ausnahmezustand: Noch immer gibt es Menschen  die das Ganze für übertrieben halten. Dabei ist die Strategie  jede einzelne Infektion zu verhindern  alternativlos. Ein Kommentar von Florian Martius. Foto aus Mailand  Italien: © iStock.com/Alecamera90
Die Welt im Ausnahmezustand: Noch immer gibt es Menschen die das Ganze für übertrieben halten. Dabei ist die Strategie jede einzelne Infektion zu verhindern alternativlos. Ein Kommentar von Florian Martius. Foto aus Mailand Italien: © iStock.com/Alecamera90

Pandemie: Agieren unter dem Vorzeichen der Ungewissheit

Die Welt ist im Ausnahmezustand. Rund eine Milliarde Menschen befinden sich weltweit wegen des Coronavirus SARS-CoV-2 unter Ausgangssperren oder -beschränkungen. Doch noch immer gibt es Menschen, die das Ganze für übertrieben halten. Dabei kann es unter diesen Voraussetzungen nur eine richtige Strategie geben: Jede einzelne Infektion muss verhindert werden – denn wir wissen heute nicht, was morgen ist. Ein Kommentar von Florian Martius.
Italien (hier: Trevi-Brunnen, Rom) im Ausnahmezustand. Foto: ©iStock.com/Em Campos Photo
Italien (hier: Trevi-Brunnen, Rom) im Ausnahmezustand. Foto: ©iStock.com/Em Campos Photo

Nichts für schwache Nerven: Das Ärzteteam aus dem Papst-Johannes-XXIII-Krankenhaus in Bergamo schreibt auf NEJM Catalyst über seine Erfahrungen aus dem „Epizentrum“ der Corona-Pandemie. Das Krankenhaus sei hochgradig verseucht, die Mediziner selbst längst jenseits von Gut und Böse: „Ältere Patienten werden nicht wiederbelebt und sterben alleine ohne angemessene palliative Versorgung, während die Familien über Telefon informiert werden – oft von wohlmeinenden, emotional total erschöpften Ärzten.“ Das Klinikum in Bergamo ist eine brandneue State-of-the-Art-Klinik; woanders in der Lombardei ist die Situation noch schlimmer: „Die meisten Hospitäler sind überfüllt, nahe am Kollaps, während Medikamente, Beatmungsgeräte und Schutzausrüstungen nicht verfügbar sind.“ 

Es ist ja nicht so, dass diese Krankenhäuser sonst leer sind. Die Kliniken versuchen neben der Corona-Krise auch noch, die reguläre Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten. Die Patienten liegen in den Fluren auf Matratzen, schreiben die Bergamasker. 

Alles weit weg? Von Bergamo nach München sind es 500 km – keine sechs Stunden mit dem Auto.

Das Wort Pandemie kommt aus dem altgriechischen und heißt „das ganze Volk“. SARS-CoV-2 ist pandemisch: Es infiziert Menschen auf allen Kontinenten – und das in rasantem Tempo. Passend wäre es aber auch „Pandemie“ mit „die große Ungewissheit“ zu übersetzen. Denn in einer Pandemie wissen wir in der Regel heute nicht, was morgen ist. Deshalb ist nur jede einzelne verhinderte Infektion eine gute Infektion. Das ist in einem Zustand der Krise, in der alles auf Sicht fährt, die cleverste aller Strategien.

„Pandemie-Wahrheiten“ im Wandel

Ein Beispiel? „Das trifft doch nur die Alten“, ist eine dieser „Pandemiewahrheiten“, die sich gerade vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse in Luft auflösen. Selbst vernachlässigend, dass dieser Satz ein etwas merkwürdiges Menschenbild verrät, stellen wir nun mit Zahlen aus den USA fest: Von rund 500 hospitalisierten Patienten waren 38 Prozent zwischen 20 und 54 Jahre alt. „Die Zahlen deuten darauf hin, dass sich viele jüngere Leute in einem trügerischen Sicherheitsgefühl wiegen“, schreibt aerzteblatt.de unter Bezug auf die Daten der US-Centers for Disease Control and Prevention. Ja, auch im Alter zwischen 20 und 30 kann man an den Folgen einer Corona-Infektion sterben. Es ist selten, aber es passiert.

Ein Kommentar von Florian Martius. Foto: ©pharmafakten
Ein Kommentar von Florian Martius. Foto: ©pharmafakten

Wünschen will man das niemandem, aber es könnte gut sein, dass einige der Menschen, die vergangene Woche noch fröhlich die Empfehlungen der Behörden ignorierten, bereits in wenigen Tagen ein Bett auf der Intensivstation brauchen. Denn selbst vor der Tatsache, dass das Risiko mit dem Alter steigt: Wer weiß denn zu garantieren, dass sich das in den kommenden Wochen nicht doch noch einmal deutlich verändert? Für SARS-CoV-2 gilt: „Wir lernen immer mehr dazu“, wie der Infektiologe Prof. Matthias Stoll gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte.

Hinzu kommt: Es gibt Menschen mit chronischen Erkrankungen, die zusätzliche Komplikationen wie eine Virusinfektion nicht brauchen. Es gibt schwangere Frauen, die sich wünschen, dass ihr Kind gesund zu Welt kommt und dass ihr Mann bei der Geburt dabei sein darf. Es gilt: Selbst, wenn einem das eigene Risiko egal ist – die Verbreitung des Virus erhöht die Chancen, dass andere Menschen sich infizieren. Um das zu verhindern, gibt es die Einschränkung sozialer Kontakte. Sie soll vermeiden, dass das Ärzteteam in Schwabing bald Briefe schreibt wie deren Kollegen in Bergamo. 

Die Entscheidung, eine Corona-Party zu veranstalten, ist eben keine private Entscheidung – das ist ein bisschen so wie beim Impfen und der Herdenimmunität (s. Pharma Fakten).

Sham Jaff, die sich selbst als „political scientist“ bezeichnet, twitterte vergangene Woche: „‚Ich bin jung, deswegen juckt mich das Coronavirus nicht‘ ist der Zwillingsbruder von ‚Ich bin alt, deswegen ist mir der Klimawandel egal‘.“ Ein guter Gedanke, denn Coronavirus und Klimawandel haben eines gemeinsam: Nur wenn die Gesellschaften über die Generationen hinweg zusammenhalten, wird eine erfolgreiche Bekämpfung möglich sein. Zwar sind junge Menschen nicht die primäre Coronavirus-Risikogruppe, aber die Senioren, die Schwachen, die chronisch Kranken sind darauf angewiesen, dass sie sich an die Regeln halten, um die Gefahr einer Infektion zu reduzieren. Ähnlich ist es bei der Klimakrise: Sie kann den Senioren egal sein – aber die Jungen brauchen sie, um diese Krise bewältigen zu können und von der Politik gehört zu werden.

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