Die Zahl übergewichtiger Menschen nimmt zu. Die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für zahlreiche Erkrankungen wie Fettleber und Krebs. Foto: ©iStock.com/Motortion
Die Zahl übergewichtiger Menschen nimmt zu. Die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für zahlreiche Erkrankungen wie Fettleber und Krebs. Foto: ©iStock.com/Motortion

Adipositas-Epidemie: Gefahr für die Gesundheit junger Menschen

Zu viele Kilos auf den Hüften: So geht es immer mehr Menschen weltweit. Die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für zahlreiche lebensbedrohliche Erkrankungen – etwa eine Fettleber. Laut einer Studie aus Großbritannien leidet bereits jeder Fünfte im Alter von Mitte 20 daran. Die Folge kann Leberkrebs sein. Die Wissenschaftler aus Bristol warnen daher: „Die Adipositas-Epidemie hat Auswirkungen auf die zukünftige Gesundheit junger Menschen“.

Adipositas ist definiert als eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts“, schreibt die Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG) auf ihrer Webseite. Was das genau bedeutet, ist über den sogenannten Body-Mass-Index (BMI) festgelegt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) leidet ein Mensch dann unter Übergewicht, wenn dieser bei mind. 25 kg/m2 liegt. Von Fettleibigkeit ist ab einem Wert von 30 kg/m2 die Rede.

„Adipositas erhöht das Risiko für Krebs, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen“, so das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ). „Übergewichtige Menschen sterben im Schnitt rund drei Jahre früher als Normalgewichtige.“

Weil ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung betroffen ist, könnte laut der Deutschen Krebsgesellschaft ein stark erhöhtes Körpergewicht bald die Hauptursache für Tumorerkrankungen sein – und damit Tabakkonsum als Risikofaktor Nummer Eins ablösen.

Wenn Übergewicht mit zu viel Bauchfett, Bluthochdruck sowie erhöhte Blutzucker- und Blutfettwerte („metabolisches Syndrom“) zusammenkommen (s. Pharma Fakten-Grafik), kann eine nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) entstehen. Darunter versteht man „eine Bandbreite an Leiden – die von einer einfachen Fettleber, über die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) bis hin zur Zirrhose reichen“, heißt es in einer Studie, die im Fachmagazin „The Lancet Gastroenterology & Hepatology“ erschienen ist. Ein Wissenschaftlerteam aus Bristol schreibt darin: „In entwickelten Ländern geht fast ein Fünftel der neuen Fälle mit hepatozellulärem Karzinom [Leberkrebs] auf NAFLD zurück“.

NAFLD: eine unterschätzte Erkrankung

In „den reicheren Ländern mit einer hyperkalorischen Ernährung der Bevölkerung“ gehört die NAFLD „zu den am meisten unterschätzten Gesundheitsstörungen“, meint das Deutsche Ärzteblatt.

Und tatsächlich scheint es, als könne man die Erkrankung nicht ernst genug nehmen: „Junge Menschen mit NAFLD stellen in Zukunft die größte Herausforderung […] für die Gesundheitssysteme dar“, sagen die britischen Wissenschaftler um den Leberexperten Kushala Abeysekera. Laut ihrer Studie wies von den rund 4.000 untersuchten Erwachsenen im Alter von Mitte 20 jeder Fünfte eine Steatose (Fettleber) auf. Der wichtigste Risikofaktor war demnach ein zu hoher BMI – also Übergewicht bzw. Adipositas. Bei fast drei Prozent zeigten die ermittelten Messwerte sogar bereits eine Fibrose an – vor allem die Kombination aus Fettleber und übermäßigem Alkoholkonsum führten dazu, dass sich in der Leber eine hohe Menge an Narbengewebe bildete.

Das Team um Abeysekera sieht in der „Adipositas-Epidemie“ daher eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Denn sie erhöht das Risiko für NASH, Leberzirrhosen und -krebs sowie viele andere Erkrankungen. Im Kampf gegen diese Epidemie fordern die Wissenschaftler daher gezielte Gesundheitsmaßnahmen – um etwa das Bewusstsein in der Bevölkerung für NAFLD zu erhöhen.

Fettleber: Arzneimittelforschung läuft. Foto: ©iStock.com/sankalpmaya
Fettleber: Arzneimittelforschung läuft. Foto: ©iStock.com/sankalpmaya

Fettleber: Arzneimittelforschung läuft

Das ist gerade vor dem Hintergrund, dass sich die NAFLD zu Beginn durch eine Ernährungsumstellung und mehr Bewegung noch recht gut in den Griff kriegen lässt, wichtig. „In vielen Fällen und insbesondere wenn die Erkrankung schon weiter fortgeschritten ist, reichen Sport und gesunde Ernährung allerdings nicht mehr aus“, heißt es beim Pharmaunternehmen Novartis. Arzneimittelforscher sind gefragt. Denn: „Derzeit gibt es weder Medikamente zur gezielten Behandlung einer nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD), noch zur Behandlung einer nicht-alkoholischen Fettleberentzündung (NASH).“

Unter den Wirkstoffkandidaten, die sich momentan in den Pipelines befinden, sind z.B. Präparate, die auf den Gallensäure-Stoffwechsel einwirken – Experten erhoffen sich davon positive Effekte auf die Fettleber. Doch es gibt viele weitere Ansätze. „Lebererkrankungen, einschließlich NASH, sind vielschichtig und es gibt verschiedene Faktoren, die zum Fortschreiten des Leidens beitragen“, so Dr. Eric Hughes, Novartis. Derartige Erkrankungen mit nur einem einzigen Wirkstoff zu bekämpfen, könnte schwierig sein. Große Hoffnungen liegen daher auf Kombinationstherapien – und Kollaborationen. 2018 schloss sich Novartis mit Pfizer zusammen. Sie sind nicht die einzigen, die auf Zusammenarbeit setzen. Auch Dr. Karsten Kissel vom Unternehmen Gilead Sciences erklärt: „Im Kampf gegen NASH arbeiten wir mit Partnern an verschiedenen Prüfwirkstoffen, die unterschiedliche Signalwege adressieren, die für das Fortschreiten der Erkrankung verantwortlich sind.“ Kissel befürchtet: „NASH könnte schon bald die häufigste Indikation für Lebertransplantationen sein“.

Übergewicht: Auf Prävention kommt es an

Zahl der Erkrankten senken: Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie. ©iStock.com/Tomwang112 (Tom Wang)
Zahl der Erkrankten senken: Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie. ©iStock.com/Tomwang112 (Tom Wang)

Prävention ist daher das A und O. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner erklärte: „Wir wollen die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas und von damit einhergehenden Krankheiten in Deutschland senken. Ein zentraler Baustein, um dieses Ziel zu erreichen, ist unsere Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie.“ Die Idee dahinter ist gut: Die Politik möchte dafür sorgen, dass Fertigprodukte, die es in Supermärkten zu kaufen gibt, gesünder werden. Kern der Strategie sind konkrete Reduktionsziele in Bezug auf Zucker, Fette und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln.

Im April diesen Jahres eine erste Erfolgsmeldung: „Es geht in die richtige Richtung“, verkündigte Klöckner. Eine Erhebung hatte gezeigt, dass z.B. in Knusper-Schoko-Cerealien für Kinder 17 Prozent weniger Zucker enthalten ist als noch 2016. Trotzdem hagelte es von vielen Seiten Kritik: Bemängelt wurde von Anfang an etwa die fehlende Verbindlichkeit der mit der Lebensmittelindustrie getroffenen Vereinbarungen. Als „geradezu skandalös“ bezeichnete Dr. Kai Kolpatzik, Leiter Abteilung Prävention im AOK-Bundesverband, die auf Freiwilligkeit basierenden Zielvorgaben. Und der Verein foodwatch ergänzte: „Eine Zuckerreduktion von sehr viel zu viel auf viel zu viel ist kein Erfolg, sondern eine Bankrotterklärung“.

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