Das Wissen um die Macht von T-Zellen macht sich Amgen im Kampf gegen Krebs zu Nutze und entwickelt die BiTE-Technologie. Ein Interview mit Stefan Kropff und Peter Kufer. Foto: ©iStock.com/MeletiosVerras
Das Wissen um die Macht von T-Zellen macht sich Amgen im Kampf gegen Krebs zu Nutze und entwickelt die BiTE-Technologie. Ein Interview mit Stefan Kropff und Peter Kufer. Foto: ©iStock.com/MeletiosVerras

Krebsimmuntherapien und BiTE-Technologie: Was sie so besonders macht

T-Zellen bekämpfen im Körper Eindringlinge und können so dazu beitragen, Krankheiten vorzubeugen und zu heilen. Unter bestimmten Umständen können sie auch veränderte, körpereigene Krebszellen erkennen und zerstören. Dieses Wissen macht sich das Biotechnologieunternehmen Amgen im Kampf gegen Krebs zu Nutze und entwickelt die „Bispecific T-cell Engager“ BiTE-Antikörperkonstrukte. Der Executive Medical Director Dr. Stefan Kropff und der Vizepräsident der Amgen Research GmbH Prof. Dr. Peter Kufer erklären im Interview das Prinzip. Und was Krebspatienten davon haben.

Die Krebsimmuntherapie gilt – neben Operation, Radio-, Chemo- und zielgerichteter Therapie – als eine neue Säule der Tumorbehandlung. Was macht sie so besonders?

Executive Medical Director Dr. Stefan Kropff. Foto: privat
Executive Medical Director Dr. Stefan Kropff. Foto: privat

Dr. Stefan Kropff: Die operative Entfernung des Tumors, Chemotherapie und Bestrahlung sind nach wie vor die am häufigsten angewandten Therapieoptionen gegen Krebs. Aber Fortschritte in der Gentechnik und biotechnologische Entdeckungen haben in den vergangenen Jahren viele weitere Wege im Kampf gegen Krebs eröffnet.

Bereits vor über 30 Jahren entdeckten Forscher, dass das körpereigene Immunsystem unter bestimmten Voraussetzungen in der Lage ist, bestimmte Krebsarten selbst zu bekämpfen. Als stärkste Waffe gelten dabei die sogenannten T-Lymphozyten. Sie bekämpfen im Körper tagtäglich Eindringlinge wie Bakterien und Viren. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, Krankheiten vorzubeugen und zu heilen. Darüber hinaus können T-Zellen veränderte, körpereigene Krebszellen erkennen und zerstören.

Der Vorteil der neuen Generation von Immuntherapien ist es, dass diese Arzneimittel durch gezielte Aktivierung von T-Zellen des körpereigenen Immunsystems Krebserkrankungen gezielter angehen können und so die problematischen Zellen gezielt zerstört werden. Auf diese Weise können Nebenwirkungen reduziert sowie die Lebensqualität und das Überleben der Patienten verbessert werden.

Die sogenannte BiTE®-Technologie ist ein Beispiel für eine Krebsimmuntherapie. Was bedeutet „BiTE®“ und wie sind „BiTEs®“ aufgebaut?

Prof. Dr. Peter Kufer. ©Amgen GmbH
Prof. Dr. Peter Kufer. ©Amgen GmbH

Prof. Dr. Peter Kufer: Die Abkürzung BiTE® steht für „Bispecific T Cell Engager“. Es handelt sich dabei um gentechnisch hergestellte Eiweißmoleküle (rekombinante Proteine), die zwei verschiedene Bindungsarme besitzen. So spezifisch wie ein Schlüssel in ein bestimmtes Schloss passt, kann der eine Bindungsarm an eine Zielstruktur auf der Oberfläche von Zellen einer bestimmten Krebsart andocken und der andere Bindungsarm an den Hauptschalter von T-Zellen (der T-Zell-Rezeptor/CD3-Komplex), die die potentesten Abwehrzellen des Immunsystems sind. Durch die gleichzeitige beidarmige Bindung an eine Krebszelle auf der einen und an eine T-Zelle auf der anderen Seite, aktivieren BiTE®-Moleküle die Abwehrfunktionen der an den einen BiTE®-Arm gebundenen T-Zelle, die daraufhin die an den anderen BiTE®-Arm gebundene Krebszelle zerstört.

Und das funktioniert?

Kufer: Die Natur hat es so eingerichtet, dass jeder Mensch zur Abwehr gefährlicher Zellen viele Milliarden T-Zellen hat. Der Hauptschalter der T-Zellen funktioniert wie eine Art Scan-Kopf, der eine Art Bar-Code auf der Oberfläche von anderen Zellen erkennen kann. T-Zellen patrouillieren durch den Körper auf der Suche nach gefährlichen Zellen, die sie an ihrem Bar-Code erkennen und dann zerstören. So kann jedes T-Zell-Individuum mit seinem individuellen Scan-Kopf bestimmte gefährliche Zellen erkennen und zerstören, die den passenden Bar-Code tragen. Die meisten T-Zellen erkennen aber keine Bar-Codes auf Krebszellen, sondern andere gefährliche Zellen, die z.B. mit einem Virus infiziert sind, und stehen deshalb normalerweise für die Krebsabwehr nicht zur Verfügung. BiTE®-Moleküle wirken wie Brillen, durch die auch diese große Mehrheit der T-Zellen, die für Krebszellen blind sind weil sie sich natürlicherweise gegen andere gefährliche Zellen richten, die Zellen einer bestimmten Krebsart erkennen und zerstören können. Gegen welche Krebsart ein bestimmtes BiTE®-Antikörperkonstrukt auf diese Weise praktisch alle T-Zellen im Körper dirigieren kann, richtet sich nach der Zielstruktur (Tumorantigen) auf der Krebszelloberfläche, an die dieses BiTE®-Antikörperkonstrukt bindet.

Bei welchen Tumorformen kommt der Einsatz von „BiTEs®“ in Frage?

T-Zellen greifen Krebszellen an. ©iStock.com/MeletiosVerras
T-Zellen greifen Krebszellen an. ©iStock.com/MeletiosVerras

Kropff: 2015 ist das erste Arzneimittel aus der BiTE®-Plattform zur Behandlung einer Leukämieform (B-ALL) auf den Markt gekommen. Aktuell forscht Amgen an zahlreichen weiteren BiTE®-Antikörperkonstrukten im Bereich hämatologischer Krebserkrankungen sowie bei einigen soliden Tumoren. Prinzipiell können BiTE®-Antikörperkonstrukte viele Tumorantigene bei verschiedenen Krebsarten ins Visier nehmen. Das Konzept verspricht gezielte Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit – je selektiver das adressierte Antigen auf Tumorzellen vorhanden ist. Die BiTE®-Technologie hat also das Potenzial, die genannten klassischen Therapieoptionen gegen Krebs, um einen neuartigen immuntherapeutischen Ansatz zu ergänzen.

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