Gentherapien: Krebs und Erbkrankheiten im Fokus

„Die meisten der weltweit durchgeführten Gentherapie-Studien adressieren Krebserkrankungen (67 %)“, heißt es im Biotech-Report 2020, den die Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) für den Verband der forschenden Pharma-Unternehmen bio (vfa bio) erarbeitet hat. An zweiter Stelle stehen monogenetische Erbkrankheiten – die oft schon Kinder betreffen.

Fehlerhafte Gene reparieren oder ersetzen: „Der Gedanke, Krankheiten mittels Gentherapie zu behandeln, keimte in den frühen 1970er Jahren auf“. Das ist im Biotech-Report „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2020“ zu lesen. Noch rund zwei Jahrzehnte dauerte es, bis Gentherapien erstmals im Rahmen von Studien erprobt wurden: Sie kamen bei der angeborenen Immunschwäche ADA-SCID (1990), bei Krebs (1991) und kardiovaskulären Erkrankungen (1994) zum Einsatz. Erst 2012 schaffte es schließlich ein erstes Gentherapeutikum – zur Behandlung der familiären Lipoproteinlipasedefizienz (LPLD) – in der EU zur Zulassung: LPLD ist eine seltene Erbkrankheit, bei der es zu Fettablagerungen in der Haut und zu schmerzhaften Entzündungen der Bauchspeicheldrüse kommt. Sie wird meist schon im Kindesalter diagnostiziert.

Laut vfa bio und BCG hatten im Mai 2020 sieben Gentherapeutika in der EU eine zentrale Zulassung. Unter ihnen sind z.B. zwei CAR-T-Zelltherapien, die „gegen eine kleine Gruppe hämatologischer Tumore“ eingesetzt werden. Oder ein sog. onkolytischer Virus: Es handelt sich dabei um ein Herpes-simplex-Virus, das gentechnisch so verändert wurde, dass es Tumorzellen vom Typ Schwarzer Hautkrebs angreift.

Gentherapien: Hoffnung für Kinder mit seltenen Krankheiten

Zugelassen ist auch ein Wirkstoff zur Behandlung bestimmter Formen der spinalen Muskelatrophie (SMA) – eine seltene Erbkrankheit. „Unbehandelt führt eine SMA Typ 1, die schwerste Form der SMA, in mehr als 90 Prozent aller Fälle innerhalb der ersten zwei Lebensjahre zur Notwendigkeit einer ständigen Beatmung oder zum Tod“, so die Autoren des Biotech-Reports.

Gentherapien: Hoffnung für Kinder mit seltenen Krankheiten.
Foto: ©iStock.com/undefined
Gentherapien: Hoffnung für Kinder mit seltenen Krankheiten.
Foto: ©iStock.com/undefined

Die „Geschichte“ der sog. „Advanced Medicinal Therapy Products” (ATMP), zu denen auch Gentherapien gehören, „begann in der Pädiatrie“, meint Prof. Dr. Christoph Klein vom „Dr. von Haunerschem Kinderspital“ der LMU München. „Kinderärzte waren und sind Pioniere in der Entwicklung neuer Therapiemodalitäten. Kinder mit seltenen Erkrankungen werden an spezialisierten Zentren betreut, wo sich interdisziplinäre Fachkompetenz und eine am Wohl des Kindes orientierte Medizin mit hohem Engagement und wissenschaftlicher Expertise verbinden“, führt er aus. „Doch die weitere konzeptionelle Entwicklung, von der klinischen Prüfung bis zur Zulassung, kann nur im Schulterschluss und mit Unterstützung der Industrie erfolgen“. Die Ursachen monogener Erkrankungen „an ihrer Wurzel, auf der Ebene der Gene, zu behandeln“: Davon haben „Ärzte und Wissenschaftler“ schon lange geträumt, erklärt der Experte.

Immer mehr Gentherapie-Studien

„Die Zahl der klinischen Gentherapie-Studien stieg weltweit von zwei im Jahr 1990 auf 117 in 1999 stark an“, heißt es im Biotech-Report. Um die Jahrtausendwende mussten Wissenschaftler jedoch einige Rückschläge verkraften – die Forschung stagnierte. „Erst ab 2012, mit der Marktzulassung des ersten Gentherapeutikums in der westlichen Welt, erhöhte sich die Zahl der Gentherapie-Studien wieder deutlich und konnte sich von 2012 [102] bis 2018 [232] mehr als verdoppeln“. Auch hierzulande werden immer mehr Studienanträge gestellt. „Der Studienstandort Deutschland gewinnt […] gerade in der späten Entwicklungsphase von Gentherapeutika zunehmend an Bedeutung“.

Ca. 67% der Gentherapie-Studien richten sich gegen Krebs. ©istock.com/peterschreiber.media
Ca. 67% der Gentherapie-Studien richten sich gegen Krebs. ©istock.com/peterschreiber.media

Fast vier Fünftel der weltweit durchgeführten Gentherapie-Studien richten sich gegen Krebs oder monogenetische Erbkrankheiten (s. Grafik). Sie bilden damit den Schwerpunkt der Forschung in diesem Bereich. Je rund sechs Prozent der Studien adressieren aber auch Infektions- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Hoffnung, die auf Gentherapien ruht: „eine lang anhaltende therapeutische Wirksamkeit“ und „gegebenenfalls sogar eine Chance auf Heilung“, so Dr. Frank Mathias (vfa bio) und Dr. Jürgen Lücke (BCG) im Vorwort des gemeinsamen Reports.

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