Die CAR-T-Zelltherapie gilt als Hoffnungsträger in der Krebsbehandlung – wir haben mit zwei Experten über Chancen und Hürden gesprochen. Foto: ©iStock.com/Christoph Burgstedt
Die CAR-T-Zelltherapie gilt als Hoffnungsträger in der Krebsbehandlung – wir haben mit zwei Experten über Chancen und Hürden gesprochen. Foto: ©iStock.com/Christoph Burgstedt

CAR-T-Zelltherapie: Große Chancen, hohe Hürden

Es ist nur eine einzige Infusion mit gentechnisch veränderten Zellen, doch sie macht vielen Krebspatienten neue Hoffnung: die CAR-T-Zelltherapie. Die Pharma Fakten-Redaktion hat mit zwei Spezialisten von der Universitätsklinik Köln gesprochen, die sich mit dieser vergleichsweise neuen Therapieform hervorragend auskennen: Prof. Peter Borchmann ist Oberarzt der Klinik I für Innere Medizin und leitet dort den klinischen Schwerpunkt maligne Lymphome. Prof. Florian Kron ist als Gesundheitsökonom im Management der Klinik I für Innere Medizin tätig und außerdem Geschäftsführer der VITIS Healthcare Group.

Die CAR-T-Zelltherapie gilt als großer Hoffnungsträger in der Krebstherapie. Wie funktioniert diese Therapie?

Prof. Peter Borchmann: Bei der CAR-T-Zelltherapie werden dem Patienten Abwehrzellen entnommen und im Labor genetisch so verändert, dass sie den Tumor erkennen. Der Patient erhält dann eine Infusion mit diesen veränderten Zellen, die den Tumor zerstören. Die genetische Änderung im Labor führt dazu, dass die T-Zelle Krebszellen attackieren kann, obwohl diese körpereigenes Gewebe sind. Diese Therapie kann hoch effektiv sein.

Oberarzt der Klinik I für Innere Medizin Prof. Peter Borchmann. Foto: MedizinFotoKöln/Michael.Wodak
Oberarzt der Klinik I für Innere Medizin Prof. Peter Borchmann. Foto: MedizinFotoKöln/Michael.Wodak

Für welche Patienten ist sie geeignet?

Borchmann: Die zugelassenen Präparate richten sich gegen Krebsarten, die aus dem lymphatischen System kommen – insbesondere gegen die akute lymphatische Leukämie im Kindesalter und bei jungen Erwachsenen, sowie beim rezidivierten aggressiven Lymphom des Erwachsenen.

Erhalten alle Patienten, denen eine solche Therapie helfen könnte, auch Zugang dazu?

Borchmann: Die CAR-T-Zelltherapie wurde von der europäischen Arzneimittel-Agentur EMA (European Medicines Agency) für bestimmte Indikationen zugelassen. Aber wir haben hier erstmals die Situation, dass der Zulassungstext der EMA vom MDK, dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen, durch einen so genannten Indikationskriterienkatalog eingeschränkt worden ist. Das ist nach meiner Kenntnis ein einmaliger Vorgang.

Und weshalb diese Einschränkung?

Borchmann: Woher oder ob der MDK die Berechtigung hat, die Kostenübernahme nach Prüfung einer Indikation ohne Kenntnis der Patienten abzulehnen, auch wenn die Anwendung „In-Label“ erfolgt, ist mir nicht bekannt. Es ist aber so gelaufen.

Gibt es noch weitere Einschränkungen für diese Therapieform?

Borchmann: Der G-BA, also der Gemeinsame Bundesausschuss, der über Leistungsansprüche von gesetzlich Krankenversicherten entscheidet, hat den Zugang zu dieser Therapie für die Ärzteschaft durch den Strukturkriterienkatalog eingeschränkt. Das bedeutet: Nicht jeder Arzt kann das anwenden, sondern nur Ärzte in Institutionen, die bestimmte Strukturkriterien erfüllen.

Prof. Florian Kron: Man muss aber dazu sagen: Viele Krankenhäuser sollten die CAR-T-Zelltherapie auch gar nicht anbieten. Denn es handelt sich um eine sehr komplexe Therapieform. Es dürfen nur ausgewählte Zentren diese Therapie anbieten, weil man damit die Qualität der Behandlung sichern möchte.

Die CAR-T-Zelltherapie gilt als so genannte NUB, als „Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“. Was bedeutet das?

Kron: Wir haben in Deutschland für Patienten im Krankenhaus ein Abrechnungssystem, das auf Fallpauschalen beruht. Innovationen wie eine CAR-T-Zelltherapie können aber zusätzliche Kosten verursachen, die von dieser Pauschale nicht abgedeckt sind. Für solche innovativen Verfahren, Therapien, Medikamente gibt es deshalb Sondervergütungsmöglichkeiten.

Prof. Florian Kron. Foto: privat
Prof. Florian Kron. Foto: privat

Und ich finde es durchaus positiv, dass die Krankenkassen relativ zügig anerkannt haben, dass es zusätzlich zu dem Zelltherapeutikum, das derzeit 275.000 Euro kostet, einen zusätzlichen Aufwand gibt, der nach dem Eisbergprinzip unter der Oberfläche verborgen ist – etwa durch zusätzliche Qualitätssicherungs- und Zertifizierungsmaßnahmen, ohne die wir diese Therapie nicht anwenden dürfen. Für diesen Zusatzaufwand erhalten die Krankenhäuser bis zu 15.000 Euro. Das ist noch nicht vollends auskömmlich, aber es ist ein erster wichtiger Schritt, um diese zusätzlichen Leistungen zu finanzieren.

Das klingt ja sehr positiv.

Kron: Das ist es auch. Allerdings gibt es Probleme im Detail.

Welche?

Kron: Alle Krankenhäuser, die diese Therapie anwenden wollen, müssen jedes Jahr einen so genannten NUB-Antrag stellen. Der ist extrem aufwändig, sehr administrativ und nervt eigentlich jeden. Hier wünsche ich mir vom Gesetzgeber, dass dieser Prozess vereinfacht und effizienter gestaltet wird.

Kommt es vor, dass Patienten in der Wartezeit auf eine CAR-T-Zelltherapie sterben?

Borchmann: Das ist ein schwieriger Punkt, denn es kommen viele Faktoren zusammen. Wir haben Patienten, die sehr krank sind und sterben können, obwohl die Therapie läuft. Denn diese Zellen nehmen wir nicht einfach aus dem Medikamentenschrank, sondern es dauert vier bis sechs Wochen, ehe wir sie dem Patienten verabreichen können. In dieser Zeit kann sich der Zustand eines Patienten so verschlechtern, dass er nicht mehr behandelbar ist und womöglich stirbt. Das kommt bei derartigen Erkrankungen vor, aber man kann niemanden dafür verantwortlich machen, das ist schicksalhaft. Allerdings gab es in der Vergangenheit auch Fälle, in denen der MDK sehr zeitaufwändig geprüft hat, ob die Kosten übernommen werden – im Rahmen dieser Auseinandersetzungen sind auch Patienten gestorben. Mittlerweile hat sich das geändert: Wenn wir der Meinung sind, die Behandlung ist In-Label, sie entspricht also den Zulassungsvorgaben, dann machen wir sie auch ohne vorherige Prüfung durch den MDK.

Das ist doch eine gute Nachricht.

Borchmann: Das kommt darauf an, wie man das sieht. Denn die Prüfung erfolgt jetzt nicht mehr vorrangig, also vor Beginn der Behandlung, sondern nachrangig, also hinterher. Und damit wälzt der Kostenträger das Risiko auf die Krankenhäuser ab. Bei der vorrangigen Prüfung wurde etwa ein Drittel der Patienten abgelehnt, obwohl sie ganz klar In-Label waren – einfach aufgrund der vom MDK eigenmächtig verfassten Indikationsliste. Wenn aber die Kosten infolge der nachrangigen Prüfung nicht erstattet werden, dann hat das ernste Auswirkungen für die Klinik.

Kron: Ich wünsche mir hier auch mal neue Ideen. Wir leben in einer Welt der bilateralen Verträge, die Krankenkasse macht mit der Pharmaindustrie einen Vertrag, die Pharmaindustrie macht mit dem Krankenhaus einen Vertrag, das Krankenhaus macht mit der Krankenkasse einen Vertrag. Warum machen wir nicht mal einen trilateralen Vertrag, einen offenen Vertrag, in dem transparent gesagt wird, wie die Regeln sind. Also ein offenes Vertragskonzept mit allen Beteiligten, das auch zur gegenseitigen Qualitätskontrolle führt. Das wäre ein Konzept der integrierten Versorgung durch trilaterale Verträge – nicht nur, was die CAR-T-Zelltherapie betrifft, sondern ganz grundsätzlich.

Im Kampf gegen Krebs. ©iStock.com/Christoph Burgstedt
Im Kampf gegen Krebs. ©iStock.com/Christoph Burgstedt

In den nächsten Jahren könnten immer wieder neue und bessere CAR-T-Zelltherapien auf den Markt kommen – hunderte Kandidaten befinden sich derzeit in der Pipeline. Werden diese Therapien die Patienten schneller erreichen als die Erst-Einführungen? Oder gibt es womöglich neue Hürden?

Borchmann: Da bin ich tatsächlich gespannt. Es sind neue Antigene im Zulassungsprozess, zum Beispiel gegen das multiple Myelom, einen der häufigsten Tumore des Knochenmarks. Wenn das Teil der CAR-T-Zelltherapie wird, dann reden wir anders als bisher über große Fallzahlen. Und dann muss man sehen, welche Maßnahmen seitens der Kostenträger und der anderen Interessenvertreter ergriffen werden.

Grundsätzlich sind die Wege für diese Therapieform geebnet und ich hoffe sehr, dass nicht neue Hürden aufgebaut werden.

Kron: Ich persönlich glaube das nicht. Natürlich wird es Preisdiskussionen geben. Das ist immer so, denn neue Technologien sind anfangs einfach teuer. Ich erinnere an die erste Gensequenzierung, die viele Millionen gekostet hat – heute geht das unter 1.000 Euro. Und auch bei der CAR-T-Zelltherapie werden die Preise für die Arzneimittel sinken.

Was müsste die Gesundheitspolitik tun, um optimale Voraussetzungen für den Einsatz dieser Therapien zu schaffen?

Borchmann: Zunächst müssten sich alle Beteiligten fragen: Wo entstehen Verzögerungen, die durch strukturelle Änderungen verbessert werden können? Für meine persönliche Arbeitswelt wünsche ich mir, dass akademische Forschung angemessen gefördert und nicht durch Auflagen zu Tode reguliert wird. Es sind bereits Reformprozesse im Gange, aber es geht alles sehr langsam. Für die Anwendung beim Patienten wünsche ich mir sehr dringend, dass nicht nur Qualitätskriterien zur Anwendung innovativer Therapien aufgestellt werden, sondern auch die Mittel zu deren Umsetzung bei der Vergütung abgedeckt werden. Das ist im Moment nicht ansatzweise der Fall und das kann nicht funktionieren: Spitzenmedizin hat andere Ressourcen vorzuhalten als eine Basisversorgung.

"Wir brauchen Netzwerke". Foto: CC0 (Stencil)
“Wir brauchen Netzwerke”. Foto: CC0 (Stencil)

Kron: Es geht auch darum, den Zugang zur Spitzenversorgung gut zu regeln. Grundsätzlich stehen Angebote wie die CAR-T-Zelltherapie allen Patienten zur Verfügung, auch solchen, die nicht in der Nähe eines Spitzenzentrums wohnen. Aber wir brauchen Netzwerke und eine zentrale Organisation, die diese Netzwerke managt und koordiniert. Es gibt bereits schöne Beispiele, die zeigen, dass so etwas funktioniert. Für Patienten mit Lungenkrebs gibt es das Netzwerk genomische Medizin – dort gibt es eine zentrale Diagnostik und eine sehr gute, dezentrale Versorgungsstruktur auf dem Land. Solche Versorgungsnetzwerke müsste es auch bei der CAR-T-Zelltherapie geben. 

Und ich plädiere dafür, dass man da nicht nur Krankenhäuser, niedergelassene Onkologen oder Hausarztpraxen einbindet, sondern frühzeitig auch die Kostenträger – und auch Kooperation und Partnerschaft mit der pharmazeutischen Industrie gehört zum Konzept einer integrierten Versorgung.

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