Behind the scenes vom „Digitalen Gesundheitspreis 2020“. Das Start-Up-Unternehmen Neolexon hat ihn gewonnen. Foto: Novartis
Behind the scenes vom „Digitalen Gesundheitspreis 2020“. Das Start-Up-Unternehmen Neolexon hat ihn gewonnen. Foto: Novartis

Digitaler Gesundheitspreis: Versorgung nachhaltig verbessern

Das Start-Up-Unternehmen Neolexon hat den von Novartis gestifteten „Digitalen Gesundheitspreis 2020“ gewonnen. Es ist eine Gründung von zwei Sprachtherapeutinnen, deren App Schlaganfallpatienten helfen soll, ihre Sprache wiederzuerlangen.

Es begann mit einer Frustsituation, erzählt die Sprachtherapeutin Dr. Mona Späth. „Wir saßen da mit unseren Patienten, die wir wegen ihrer Aphasie, ihrer Sprachstörung behandelten, wussten aus der Forschung, dass man fünf bis zehn Stunden üben sollte und sehen die Patienten nur einmal pro Woche.“ 2014 entschied sie sich mit ihrer Kollegin Dr. Hanna Jakob dazu, diese Situation zu ändern.

Dr. Mona Späth und Dr. Hanna Jakob, Neolexon. Copyright: privat
Dr. Mona Späth und Dr. Hanna Jakob, Neolexon. Copyright: privat

Von Firmengründung hatten die beiden bis dahin keine Ahnung, dafür aber eine Idee, wie man die Therapie besser und patientenorientierter gestalten könnte: Mit digitalen Applikationen, die die Betroffenen zuhause unterstützen und die der Therapeut individuell anpassen kann. Seit 2018 gibt es Neolexon. Nein, sie wollen keine Logopäden ersetzen. Sie wollen ihnen helfen im Dilemma zwischen der Anzahl der Patienten, der zur Verfügung stehenden Zeit und dem Anspruch, den Menschen wirklich zu helfen. Sie wollen ihnen ein Instrument an die Hand geben. Ziel der beiden: Die App auf Rezept. „Einige Krankenkassen bezahlen das schon, aber unser Ziel ist es, in die flächendeckende Versorgung zu kommen“, sagt Dr. Jakob. Belohnt wurde die Idee nun in einer virtuellen Preisverleihung mit Steven Gätjen – als Fernsehmoderator bekannt: Der Digitale Gesundheitspreis (DGP) wurde bereits zum dritten Mal vergeben.

Open.IU: Mit einer App gegen Computerspielabhängigkeit

Auch der Gründer von Open.IU, zweiter Platz des Gesundheitspreises, ist eine Gründerin – ebenfalls ein Projekt, das aus einer Therapiesituation entstand. Frau Dr. med. Olga Geisel, Kinder- und Jugend-Psychiaterin an der Berliner Charité, leitet eine Suchtsprechstunde mit dem Schwerpunkt Computerspielabhängigkeit. 

Dr. med. Olga Geisel, Open.IU. Copyright: privat
Dr. med. Olga Geisel, Open.IU. Copyright: privat

„Es wurde uns klar, dass wir hier eine Online-Lösung brauchen, weil einerseits für unsere Patienten sehr lange Wartezeiten bestehen und gleichzeitig die Prävalenzraten bei Computerspielabhängigkeit deutlich in die Höhe gehen und jetzt mit Corona vermutlich angestiegen sind.“ Deshalb fiel der Beschluss, ein Online-Screening und ein Online-Frühinterventionstool zu erschaffen. Der nächste Schritt: Die klinische Validierung. Der Bedarf für solche Entwicklungen ist groß: Fünf bis zehn Prozent der Jugendlichen in Deutschland sind Schätzungen zufolge abhängig von Computerspielen. Open.IU spricht die Jugendlichen genau in dem Medium an, in dem sie sich bewegen und hilft, wissenschaftlich fundiert auf problematisches Verhalten zu screenen. 

Im nächsten Schritt bietet Open.IU digitale Module zur Frühintervention bei problematischen Computerspielen.

DGP: Sichtbarkeit schaffen, Netzwerke bilden

Novartis-Deutschland-Chef Dr. med. Thomas Lang. Copyright: Novartis
Novartis-Deutschland-Chef Dr. med. Thomas Lang. Copyright: Novartis

Mit dem DGP zeichnet Novartis Innovatoren und Gründer aus, die mit digitalen Lösungen die medizinische Versorgung in Deutschland verbessern wollen. „Nachhaltigkeit“, sagt Novartis-Deutschland-Chef Dr. med. Thomas Lang, „liegt uns dabei besonders am Herzen. Wir möchten, dass spannende und innovative Projekte, die wirklich das Potenzial haben, die Versorgung in Deutschland nachhaltig zu verbessern, Sichtbarkeit haben und ein Netzwerk bilden können.“ Der Preis ist mehr als Ruhm und (Preis-)Geld. Der DGP gibt Ideen ein Gesicht – und dem Start-Up Bekanntheit. Vorjahressieger Sirko Pelzl von apoQlar formuliert es so: „Wir kamen in die Krankenhäuser und man kannte uns schon. Das ist gut.“ Sein Unternehmen steht für „Holomedizin“, die Bilder in dreidimensionale Bilder verwandelt und dadurch z.B. Chirurgen unterstützen kann. 

OPEN Project: Evidenz für künstliche Bauchspeicheldrüsen

Erstmals wurde dieses Jahr auch ein Publikumspreis ausgelobt – und den gewann einer, der damit gar nicht gerechnet hatte. Denn OPEN Project ist eine von der EU geförderte Forschungsinitiative: „Wir sind kein Start-Up. Wir haben kein Produkt“, erklärt Bastian Hauck, Geschäftsführer von dedoc Labs. „Wir gehen ehrlich gesagt auch nicht davon aus, dass wir hier einen Preis gewinnen.“ Doch das Publikum war beeindruckt von dem Projekt, das von Entwicklern auf der ganzen Welt getragen wird, deren Mehrheit selbst Diabetes Typ I hat – „ein Paradebeispiel für user patient driven innovation“, so Bastian Hauck. Dabei geht um die Entwicklung so genannter künstlicher Bauchspeicheldrüsen, die nicht nur die Messung des Insulins im Blut, sondern auch die über Algorithmen gesteuerte Abgabe von Insulin über die entsprechende Pumpe organisieren. 

OPEN Project-Team. Copyright: OPEN Project.
OPEN Project-Team. Copyright: OPEN Project.

So etwas gab es bisher nur als Eigenentwicklungen, weil sich Unternehmen aus Haftungsgründen eher zurückgehalten haben. „Es geht um Innovation, die früher aus großen Laboren kam. Jetzt, wo Innovation digital wird, braucht es nicht mehr viel Geld. Es braucht helle Köpfe.“ Ihr Ziel: Die notwendige wissenschaftliche Evidenz schaffen, dass diese von Usern selbst geschriebenen Algorithmen zu regulär zugelassenen künstlichen Bauchspeicheldrüsen werden können. Ein Weg, der offenbar funktioniert: Die ersten Produkte sind dieses Jahr auf den Markt gekommen, weitere werden folgen. Begleitet wird das mit weiteren Untersuchungen wie der vor zwei Wochen gelaunchten Open Survey-Studie: „Das ist wahrscheinlich die größte Studie weltweit von Menschen mit Diabetes. Es geht darum, Real-World-Data zu schaffen“, sagt Hauck.

Nur 15 Prozent der Jungunternehmer sind weiblich

Preise, wie der von Novartis, führen das „digitale Ökosystem“ zusammen. Es geht darum „gemeinsam mehr zu bewegen“, wie das Motto lautet. Als besonderes #TrendingTopic hatten sich die Macher des DGP das Thema #Femalefounders herausgesucht, denn nur 15 Prozent der Jungunternehmer sind weiblich. Für die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, Dorothee Bär, liegt das auch daran, dass junge Frauen noch zu wenige Vorbilder haben, wie sie im Interview sagte. Insofern hat der DGP mit seinen Preisträgerinnen auch in dieser Hinsicht Fakten geschaffen. 

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