Eine weit verbreitete  aber eigentlich gut behandelbare Hauterkrankung stand im Mittelpunkt einer digitalen Gesprächsrunde zum Thema: „Wie wichtig ist uns unsere Haut?“ Foto: ©iStock.com/relif
Eine weit verbreitete aber eigentlich gut behandelbare Hauterkrankung stand im Mittelpunkt einer digitalen Gesprächsrunde zum Thema: „Wie wichtig ist uns unsere Haut?“ Foto: ©iStock.com/relif

Häufige Hauterkrankung: Wie Medikamente die Stigmatisierung beenden könnten

Der Titel klingt sperrig, doch die Veranstaltung selbst ging unter die Haut: „Wie wichtig ist uns unsere Haut? Statt Stigma mehr Lebens- und Versorgungsqualität!“ Darüber diskutierte eine Expertenrunde bei einer Online-Veranstaltung, die ursprünglich als Präsenz-Veranstaltung in München geplant war. In dem Gespräch ging es um eine weit verbreitete Krankheit, die kaum im Fokus der Öffentlichkeit steht – und das, obwohl es in den letzten Jahren sensationelle Fortschritte in der Behandlung gab.

Schuppenflechte – rund zwei Millionen Menschen, darunter 120.000 Kinder und Jugendliche, sind in Deutschland von dieser vorwiegend erblich bedingten Hauterkrankung betroffen, bei der sich weißliche oder rötlich-entzündete Schuppen in oftmals großflächigen Hautarealen ausbreiten – in mindestens jedem vierten Fall auch im Gesicht. Die Krankheit kann starken Juckreiz verursachen und geht häufig mit anderen Erkrankungen einher, insbesondere mit rheumatischen Erkrankungen der Gelenke, aber auch mit Diabetes oder Depressionen. Die gute Nachricht: „Wir sehen insbesondere in den letzten vier Jahren eine deutliche Zunahme an Innovationen, überwiegend Biologika, mit denen sich die Psoriasis hervorragend behandeln lässt“, erklärte Prof. Matthias Augustin, Dermatologe und Versorgungsforscher aus Hamburg. Und weiter: „Noch im Jahr 2005 war man froh, wenn man eine 50-prozentige Verbesserung erreicht hat. Heute liegt das Therapieziel bei 90 Prozent und damit bei einer weitgehenden Erscheinungsfreiheit, bei der es keine sichtbaren Hautveränderungen mehr gibt.“

Psoriasis: Rund 2 Mio. Deutsche sind betroffen. 
Foto: ©iStock.com/Irina Gulyayeva
Psoriasis: Rund 2 Mio. Deutsche sind betroffen.
Foto: ©iStock.com/Irina Gulyayeva

Überraschendes Gefälle nach Bundesländern

Biologika sind vergleichsweise neue Medikamente, die mit Hilfe von Gentechnik in lebenden Zellen hergestellt werden. Sie könnten der Schuppenflechte weitgehend den Garaus machen, wenn es da nicht einen Haken gäbe: „Es gibt rund 3.500 Dermatologen in Deutschland“, so Prof. Augustin, „aber nur 39 Prozent von ihnen verordnen alle innovativen Medikamente.“ Dabei zeigt sich ein ebenso deutliches wie überraschendes Ost-Süd-Gefälle: In Mecklenburg-Vorpommern liegen die Ausgaben für Biologika nach Augustins Angaben bei rund 15 Euro pro Kopf, in Bayern und Baden-Württemberg hingegen liegen sie unter 2 Euro.

„Ich finde es erschütternd, dass es hier keine gleichmäßige Teilhabe gibt“, meint dazu die Hautärztin Alexandra Ogilvie aus München, „es kann doch nicht sein, dass Patienten im Süden weniger Zugang haben als in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg.“ Psoriasis sei zwar keine unmittelbar lebensbedrohliche, aber eine lebensverändernde Krankheit, die oftmals zu Ausgrenzung und Stigmatisierung führe. Vor längerer Zeit fragte Ogilvie eine Patientin nach ihren Berufswünschen und Karriereplänen. Die Antwort lautete: „Die Psoriasis ist meine Karriere.“ Und eine 10-Jährige habe gefragt, ob später auch ihre Kinder die Krankheit bekommen könnten. „Nicht unbedingt, aber möglicherweise“, erwiderte Ogilvie, woraufhin das kleine Mädchen erklärte: „Dann möchte ich keine Kinder haben.“

Polizist werden? Nicht in Berlin!

Steffen Gass, Vizepräsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen, berichtete von der Deutschen Schwimmbadverordnung: „Sie wurde erst im Jahr 2004 so geändert, dass auch Psoriatiker ins Schwimmbad dürfen – aber auch danach sind viele von ihnen schon mal rausgeflogen.“ Die Krankheit sei nicht ansteckend, berichtete Joachim Koza, Vorsitzender der Patientenvereinigung „Deutscher Psoriasis-Bund“, und trotzdem würden viele Bäderverordnungen gerade wieder geändert, „und zwar so, dass die Bademeister nach ästhetischen Gesichtspunkten entscheiden können, ob jemand das Hallen- oder Freibad besuchen darf.“ In Berlin sei es Menschen mit Schuppenflechte zudem nicht erlaubt, den Beruf des Polizeibeamten zu ergreifen. „Andere Bundesländer machen eine Einzelfallentscheidung“, so Koza weiter, aber auch das sei diskriminierend.

Stigmatisierung und Unterversorgung – das sind die beiden größten Probleme, mit denen Psoriatiker zu kämpfen haben. Wobei die Stigmatisierung wahrscheinlich von ganz alleine verschwinden würde, wenn alle Patienten bestmöglich behandelt würden. Doch woran liegt es, dass Ärzte in manchen Gegenden ihre Patienten besser versorgen als in anderen? Iris Koller, Fachanwältin für Medizinrecht, hatte darauf eine klare Antwort: „Es gibt Einschränkungen durch Gesetze, Richtlinien, regionale Vereinbarungen – und damit verbunden die Angst vieler Ärzte vor Regressforderungen der Krankenkassen.“ So berichtete Steffen Gass von einem Kollegen, bei dem der Medizinische Dienst der Krankenkassen monierte, er habe sich von seinem Patienten nicht beweisen lassen, dass vor der Biologika-Verordnung eine Vortherapie stattgefunden habe. „Da ist es kein Wunder, dass die Versorgungsfreude nachlässt“, so Gass.

Stigmatisierung & Unterversorgung: Die größten Probleme, mit denen Psoriatiker zu kämpfen haben. ©iStock.com/relif
Stigmatisierung & Unterversorgung: Die größten Probleme, mit denen Psoriatiker zu kämpfen haben. ©iStock.com/relif

Iris Koller forderte die Hautärzte dennoch auf, mehr Mut bei der Verordnung innovativer Medikamente zu zeigen. Denn: „Wir haben hier in Deutschland Therapiefreiheit. Selbstverständlich muss ein Arzneimittel seine Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachweisen – aber mit der Zulassung ist die Verordnungsfähigkeit gegeben.“ Daran ändere auch die im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz AMNOG geregelte frühe Nutzenbewertung nichts: „Sie hat keine Auswirkung auf die Verordnungsfähigkeit.“ Koller ging zudem auf geplante Änderungen einer Arzneimittel-Richtlinie ein, wonach von Biologika auf die kostengünstigeren Nachfolgemittel „Biosimilars“ umgestellt werden soll: „Es gibt medizinische Gründe gegen eine solche Umstellung“ – und wenn diese dokumentiert seien, drohe auch kein Regress.

Keine Angst vor Regressforderungen

„Ein teureres Arzneimittel muss nicht unwirtschaftlich sein“, betonte Koller, „ich möchte Sie deshalb ermutigen, nicht aus Regressangst ein weniger wirksames Mittel zu verordnen. Zumal Ihnen auch das auf die Füße fallen kann: So kenne ich einen Haftungsfall bei einem Arzt, der seinem Patienten nicht alle Behandlungsalternativen dargelegt hat. Der Patient hat anderswo erfahren, dass es eine bessere Behandlung gibt und den Arzt verklagt.“ Ein Vorgehen, das durchaus verständlich ist, wenn man wie Prof. Augustin weiß, dass es Dermatologen gibt, „die immer noch Cortison einsetzen, obwohl das in den Leitlinien längst nicht mehr drinsteht.“ Manche der unzureichend behandelten Psoriasis-Patienten landen früher oder später im Krankenhaus. „Insgesamt aber werden immer weniger Patienten stationär behandelt“, sagt Augustin, „ich weiß von 1.000 Patienten, die Biologika bekommen haben – kein einziger von ihnen musste danach noch stationär behandelt werden.“

Am Ende war sich die Runde einig: Es gibt hervorragende Medikamente gegen die Schuppenflechte, aber in vielen Regionen besteht Handlungsbedarf bei der Versorgung. „Nur spezialisierte Dermatologen überblicken die Vielfalt an wirksamen Medikamenten“, so Prof. Matthias Augustin, „wir sollten die regionale spezialisierte Versorgung unbedingt ausweiten und Zugangsgerechtigkeit in allen Regionen schaffen. Rund 50 Prozent der Betroffenen sind unterversorgt – das muss sich ändern.“

Veranstalter von „Wie wichtig ist uns unsere Haut? Statt Stigma mehr Lebens- und Versorgungsqualität!“ war die WISO S.E. Consulting GmbH in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein Health Care Bayern e.V. und mit Unterstützung von Amgen und Janssen.

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