Prof. Josef Hecken  unabhängiger Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses  sieht die frühe Nutzenbewertung für alle Indikationen als geeignet an. Foto: © G-BA
Prof. Josef Hecken unabhängiger Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses sieht die frühe Nutzenbewertung für alle Indikationen als geeignet an. Foto: © G-BA

Herausforderungen für die Nutzenbewertung

Ist die frühe Nutzenbewertung ein geeignetes Instrument, um Nutzen und Wert neuer Medikamente festzulegen? Um diese Frage wird seit Einführung des Prozesses im Jahr 2011 leidenschaftlich gestritten. Eine Häufung umstrittener Entscheidungen bei Antidiabetika wirft jetzt die Frage auf, ob einzelne Indikationen grundlegend benachteiligt werden. Pharma Fakten sprach hierzu mit Prof. Josef Hecken, unabhängiger Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).

Fünf neue Antidiabetika haben in den vergangenen Jahren keinen Zusatznutzen bescheinigt bekommen, vier wurden in der Folge vom Markt genommen. Ist das ein Anzeichen, dass es Indikationen oder Medikamentenklassen gibt, für die der Prozess der frühen Nutzenbewertung besser oder schlechter geeignet ist?

Prof. Josef Hecken: Grundsätzlich nein. Das Verfahren und die Kriterien der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung sind für alle Indikationen gleichermaßen gültig und geeignet. Die Herausforderung, geeignete Evidenz für einen Zusatznutzen zu generieren, stellt sich in jeder Indikation und muss für jede Erkrankung mit geeigneten Studien beantwortet werden. Das betrifft geeignete klinische Endpunkte, gegebenenfalls geeignete und validierte Surrogate (nicht direkt patientenrelevanten Daten), Messinstrumente, Patientengruppen und Vergleichstherapien. Der G-BA führt zu diesem Zweck auch eine frühe Beratung der Industrie zur Planung von Phase-III-Studien durch, übrigens auch in Abstimmung mit den Zulassungsbehörden BfArM und PEI.

Wie können in der frühen Nutzenbewertung Therapien, die vor allem langfristige Auswirkungen für die Patienten haben, in gleichem Maße berücksichtigt werden wie kurzfristiger wirksame?

Prof. Hecken: Arzneimitteltherapien, die längerfristige Krankheitssymptome oder Krankheitsfolgen bei chronischen Erkrankungen behandeln sollen, müssen Patienten häufig über lange Zeit einnehmen. Daher stellt sich gerade bei diesen Therapien die Frage nach einem akzeptablen Verhältnis der positiven und negativen Effekte. Dies gilt umso mehr, wenn bereits Therapien mit besserer Langzeitevidenz in der Versorgung zur Verfügung stehen.

Sofern aufgrund fehlender Evidenz bei neuen Wirkstoffen Aussagen zu Langzeiteffekten nicht getroffen werden können, kann der G-BA seinen Beschluss mit einer niedrigen Aussagesicherheit bestimmen und den Beschluss unter Auflage weiterer Daten befristen.

Die Frage, inwiefern aus vorläufigen, nicht direkt patientenrelevanten Daten Aussagen über die klinischen Langzeiteffekte möglich sind, ist regelmäßig Gegenstand der Stellungnahmeverfahren und Beratungsprozesse sowie auch der Abstimmungen mit den Bundesoberbehörden und kann nicht pauschal beantwortet werden. Hier hat es in der Vergangenheit unterschiedliche Fallgestaltungen gegeben. In manchen Fällen waren die Studien zur verlässlichen Beurteilung von Surrogatparametern schlicht und ergreifend nicht geeignet, weil zum Beispiel Dossierschemata nicht zulassungskonform erfolgten. Das ist kein Problem des Gesetzes, sondern schlicht schlechte Studienqualität.

Problematischer kann es werden, wenn zehn bis 15 Wirkstoffe in der zweckmäßigen Vergleichstherapie in freien Mehrfachkombinationen eingesetzt werden können. Hier kann es sehr schwierig sein, in der Praxis Evidenz gegenüber jeder denkbaren und möglichen Kombination zu generieren.

Sind für solche Fälle Anpassungen der frühen Nutzenbewertung möglich oder angedacht?

Prof. Hecken: Wegen der Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen kann es hier keine einfachen Patentrezepte geben. Hierüber wird unter anderem auch im Pharma-Dialog zu diskutieren sein.

(Foto: G-BA)

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