Bekämpfung von Tropenkrankheiten – Letzte Meile ist die schwerste

Die Bekämpfung von Tropenkrankheiten steht ganz oben auf der Agenda des G7-Gipfels. Eine Bilanz des Erreichten schildert Harald Zimmer vom vfa im Pharma-Fakten-Interview.

Sie heißen offiziell vernachlässigte Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs); vernachlässigt, weil sie auf der globalen Agenda nur wenig stattfinden. Deshalb bekommen nur wenige mit, dass sich auf dem Gebiet der NTDs seit der Verabschiedung der London Declaration  von 2012 eine Revolution abspielt. Hinter dieser Erklärung der Weltgesundheitsorganisation und ihrer Partner steht ein großes Ziel: Bis 2020 sollen mindestens zehn der armutsbedingten Tropenkrankheiten ausgerottet sein. Dafür bleiben noch fünf Jahre.

Im Pharma-Fakten-Interview zieht Harald Zimmer Bilanz. Er ist beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) Senior-Referent Internationales und gleichzeitig Vorstandsmitglied im Deutschen Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten (DNTDs).

Herr Zimmer, wie fällt Ihre Bilanz aus? Wo stehen wir mit der London Declaration?

Harald Zimmer: Hinter der London Declaration steht das größte Gesundheitsprogramm aller Zeiten – mit einem wahrhaft großen Ziel: Die Ausrottung von mindestens zehn der armutsassoziierten Tropenkrankheiten. Allein im vergangenen Jahr konnten über 800 Millionen Menschen behandelt werden – eine sensationelle Leistung. Im Kern können wir zufrieden sein: Wir gehen zum Beispiel davon aus, dass die Flussblindheit in 26 der 31 betroffenen Ländern bis 2020 ausradiert sein wird.

Aber wir stehen noch vor großen Herausforderungen: Die Bilharziose, eine Wurmerkrankung, betrifft über 200 Millionen Menschen in rund 80 Ländern. Doch mit der Gründung der Global Schistosomiasis Alliance  bin ich guter Dinge, dass wir auch hier gut vorankommen werden. Es liegt ja nicht daran, dass es kein wirksames Arzneimittel gibt. Das gibt es – es muss „nur“ dafür gesorgt werden, dass es bei den Betroffenen ankommt.

Insgesamt kann man sagen: Mit der Londoner Erklärung ist etwas angestoßen worden, dass sich nicht mehr stoppen lässt. Mich wundert nur, dass das bei uns so wenig wahrgenommen wird.

Was sind für Sie die entscheidenden Stellschrauben oder Hindernisse bei der Bekämpfung der Tropenkrankheiten?

Zimmer: Wir kämpfen mit der so genannten „letzten Meile“. Oder anders herum: Die erste Meile – also die Lieferung der Arzneimittel aus den Lagern der Hersteller in die Zentrallager in den betroffenen Ländern – ist relativ einfach. Entscheidend ist, die Medikamente von dort zu den Menschen zu bringen. Dafür fehlen Ressourcen, Menschen und Infrastruktur. Es werden in den nächsten fünf Jahren noch rund 1,4 Milliarden US-Dollar benötigt, um die logistische Herausforderung zu stemmen. Eigentlich nicht viel, wenn man das globale Ausmaß des Programms berücksichtigt.

Was ist das Ziel des Deutschen Netzwerkes gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten?

Zimmer: Das Netzwerk setzt sich unter anderem dafür ein, dass die Forschung mehr Unterstützung findet. Dabei geht es natürlich um neue Arzneimittel, verträglichere Formulierungen und bessere Diagnosemöglichkeiten. Aber wir müssen auch mehr investieren in Fragen wie: Wie überzeuge ich die Menschen vor Ort? Wie bringe ich sie dazu, die Behandlungen zu akzeptieren? In diesem Bereich müssen wir noch viel mehr lernen. Auch das ist für die sogenannte letzte Meile ganz entscheidend.

Politisch fordern wir von der Bundesregierung ein größeres Engagement für die NTD-Gesundheitsprogramme. Denn diese Programme bekämpfen ja nicht nur einzelne Krankheiten, sondern sorgen indirekt für eine Gesundheitsinfrastruktur vor Ort. Sie stärken also Gesundheitssysteme, was ja ein erklärtes Ziel der Bundesregierung ist. In diesem Zusammenhang würden wir gerne sehen, dass der Globale Fonds, der sich zurzeit auf die drei „Großen“ HIV, Tuberkulose und Malaria konzentriert, eine Mandatserweiterung erhält – und den Kampf der NTDs auch in sein Programm aufnimmt.

Übrigens: Die Kosteneffizienz der NTD-Programme ist unerreicht. Die Pharmaunternehmen haben die benötigte Menge an Arzneimitteln zugesagt – insgesamt 14 Milliarden Behandlungen. Die Medikamente kosten also nichts.

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: