"Superbugs": Über 30.000 Tote durch gegen Antibiotika resistente Keime in Europa. Foto: CC0 (Stencil)
"Superbugs": Über 30.000 Tote durch gegen Antibiotika resistente Keime in Europa. Foto: CC0 (Stencil)

Cholesterinsenker stehen unter Beschuss – Der Nutzen von Statinen

Eine der häufigsten Todesursachen in den Industrieländern sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 40 Prozent der Deutschen sterben an Herzinfarkt oder Schlaganfall. Zu hohe Cholesterinwerte gelten dabei als Risikofaktor. Statine jedoch können die gefährlichen Blutfette reduzieren und somit Leben retten. Dennoch gibt es die Kritik, Statine würden zu häufig verschrieben.

Ähnlich wie Impfskeptiker zweifeln Cholesterinskeptiker am Nutzen von Arzneimitteln zur Senkung des Cholesterinspiegels und sehen darin eine Art Verschwörung. Mittel gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind noch nicht lange auf dem Markt. Erst mit der Entwicklung von Statinen haben Mediziner seit 1989 eine Methode gefunden, den Cholesterinspiegel ihrer Patienten zu senken. Trotzdem steht  diese Therapie immer wieder in der Kritik.

Die Ärzte in der Lipid-Ambulanz der Charité können diese Kritik nicht nachvollziehen. „Für kaum eine andere Medikamentenklasse gibt es so viele Studien, die zeigen, dass sowohl Morbidität als auch Mortalität durch die Statine signifikant positiv beeinflusst wird“, sagt Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen. Sie ist Ärztliche Leiterin der Lipidambulanz und Lipidapherese, Ernährungsmedizin und Diätetik im Stoffwechsel-Centrum der Charité in Berlin.

Böses Cholesterin- Gutes Cholesterin

Für Verwirrung in der Diskussion sorgt die Tatsache, dass Cholesterin nicht gleich Cholesterin ist: Man unterscheidet LDL- Cholesterin (low density Lipoprotein), das im Verdacht steht Plaques in den Arterien (Arteriosklerose) zu verursachen, und das „gute“ HDL-Cholesterin (high density Lipoprotein), das überschüssiges LDL-Cholesterin zur Verarbeitung in die Leber transportiert. Ihm wird zugesprochen sogar vor Arteriosklerose zu schützen. Die Werte der beiden Sterole können im Blut gemessen werden. Der Gesamtcholesterinwert sollte bei einem gesunden Menschen unter 200 mg/dl liegen, der LDL-Wert unter 160 mg/dl. Etwa jeder dritte Deutsche zwischen 18 und 79 Jahren hat jedoch einen erhöhten Cholesterinspiegel. Müssen also knapp 20 Millionen Menschen Spritzen bekommen?

Nein, denn ein hoher Cholesterinwert allein ist kein Grund für eine medikamentöse Behandlung. Zusätzliche Risikofaktoren werden in Betracht gezogen: Geschlecht, Alter, Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes sowie eine mögliche familiäre Veranlagung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Als erste Maßnahme gegen einen erhöhten Cholesterinspiegel empfiehlt sich eine Umstellung des Lebensstils: Mehr pflanzliche als tierische Ernährung und Bewegung tragen zur Senkung leicht erhöhter Cholesterinwerte bei.

Statine können Leben retten

Hat ein Patient jedoch bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, empfehlen Ärzte die Verwendung von lipidsenkenden Statinen. Eine Vielzahl an Studien zu Statinen mit großen Patientengruppen zeigt eindeutig eine deutliche Senkung von Todesfällen unter der Gabe der Cholesterinsenker. Die sogenannte 4-S-Studie (Scandinavian Simvastatin Survival Study) konnte 1994 erstmalig nachweisen, dass das Risiko für einen Infarkttod um 42 Prozent, die Gesamtsterblichkeit um 30 Prozent und das Risiko für vaskuläre Ereignisse um 22 Prozent gesenkt werden konnte.

Statine für Gesunde?

Strittig ist unter Experten vor allem die sogenannte Primärprävention, also der Einsatz von Statinen bei gesunden Personen, zur reinen Cholesterinsenkung. Diese Diskussion wurde im November 2013 befeuert von einer neuen Leitlinie der American Heart Association und des American College of Cardiology zur Behandlung mit Statinen, die deutlich mehr Patienten eine hochdosierte Lipidsenkung empfiehlt. Kritiker sehen dadurch die Gefahr einer Überbehandlung.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie sieht die Lipidtherapie in den europäischen Leitlinien stärker in ein Gesamtkonzept der Risikominimierung eingebettet. Ein Beispiel: Bei einem Raucher mit Bluthochdruck, aber nur grenzwertig erhöhten Cholesterinwerten, ist die Lipidsenkung mit Statinen weniger sinnvoll als die direkte Beeinflussung der Risikofaktoren – also Rauchverzicht und Blutdrucksenkung. Menschen laufen in Deutschland nicht Gefahr, bei einer leitliniengerechten Behandlung mit Statinen überbehandelt zu werden.

Allgemein gelten Statine als gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Muskelschmerzen und Myopathien, die meist durch einen Wechsel des Präparates oder eine Dosierungsanpassung in den Griff zu bekommen sind. Patienten, die regelmäßig Statine einnehmen, haben ein höheres Risiko an Diabetes zu erkranken. Für Patienten mit Statinintoleranz und die, die ihre Blutfette mit Statinen nicht ausreichend senken können, stehen als Alternativen Ezetimib, Fibrate, Nikotinsäure und demnächst die neue Wirkstoffklasse der PCSK9-Hemmer zur Verfügung.

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