Jedes fünfte neue Arzneimittel nicht mehr in Deutschland verfügbar

Wenn ein Gesetz die medizinische Versorgung der Patienten in Deutschland verschlechtert oder erschwert, dann läuft etwas falsch. Dass genau das durch das aktuelle AMNOG-Verfahren (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz) passiert, bemängeln einige Experten schon lange. Der AMNOG-Report 2018 der DAK Gesundheit dürfte sie wieder einmal in ihrer Befürchtung bestätigen: Demnach kommt es im Zuge der Nutzenbewertung und Preisverhandlungen von neuen Arzneimitteln weiterhin „regelhaft“ zu Marktrücknahmen.

Das AMNOG ist seit 2011 dazu gedacht, die Preise neuer Medikamente an ihrem Zusatznutzen gegenüber bereits verfügbaren Therapien auszurichten. Jede Arzneimittelinnovation durchläuft laut dieses Gesetzes eine frühe Nutzenbewertung: Der Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) spricht ein Urteil, das letztlich die Basis der Preisverhandlungen zwischen Pharmahersteller und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bildet. 

„Auch nach 277 abgeschlossenen Verfahren (Stand: 31.12.2017) zeigt sich, dass negative Bewertungsergebnisse oder gescheiterte Preisverhandlungen regelhaft zu Marktrücknahmen führen“, konstatieren Prof. Dr. Wolfgang Greiner und Julian Witte (Universität Bielefeld), die Autoren des AMNOG-Reports 2018 der DAK Gesundheit. Demnach ist von den untersuchten neuen Wirkstoffen* mit abgeschlossener Nutzenbewertung und Preisverhandlung jede fünfte Arzneimittelinnovation nicht mehr in Deutschland verfügbar.

Marktrücknahmen vor allem bei Wirkstoffen ohne belegten Zusatznutzen 

In der Regel sind „preisbezogene Argumente“ für die Marktrücknahme eines Medikaments verantwortlich, heißt es im AMNOG-Report. „Ein Indiz dafür ist, dass 73 Prozent der bisherigen Marktrücknahmen für Wirkstoffe ohne belegten Zusatznutzen erfolgten.“ Das Risiko einer Marktrücknahme ist laut Greiner und Witte für neue Wirkstoffe ohne belegten Zusatznutzen fast sechsmal so hoch wie für besser bewertete Arzneimittel. 

Ein nicht belegter Zusatznutzen ist aus Sicht des pharmazeutischen Herstellers eben keine optimale Ausgangslage für die anstehenden Preisverhandlungen. Das Problem: „Zusatznutzen nicht belegt“ heißt nicht unbedingt, dass das Medikament tatsächlich keinen Zusatznutzen hat. Insgesamt beruht bei nur 15 Prozent der Fälle der Beschluss auf eindeutigen Daten. Bei der Mehrheit sind also formale Gründe ausschlaggebend. „Dann kann man da nicht sagen: Das hat keine medizinische Relevanz dieses Produkt“, meint auch Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). 

Stoffwechselerkrankungen haben es schwer im AMNOG

„Auffällig ist […] nach wie vor der vergleichsweise hohe Anteil an Marktrücknahmen von Wirkstoffen zur Behandlung von Stoffwechselkrankheiten, insbesondere Typ 2-Diabetes“, so der AMNOG-Report der DAK Gesundheit (s. Grafik: Endokrinologie; Stand: 15.03.2018). Ein Grund: Als Vergleichstherapien werden in diesem Bereich oft generische (und somit preisgünstige) Arzneimittel festgelegt. Sie fungieren als Preiskomparator in den Verhandlungen zwischen Pharmahersteller und GKV – und führen letztlich zu kaum auskömmlichen Erstattungsbeträgen bei den neuen Medikamenten. Dies kritisierte bereits der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in seiner Analyse „AMNOG-Daten 2017“. 

* Von den Wirkstoffen mit bis Ende 2017 abgeschlossener Nutzenbewertung kam es laut des aktuellen AMNOG-Reports der DAK Gesundheit bei 148 von ihnen bis Anfang 2018 zu abgeschlossenen Erstattungsbetragsverhandlungen. Für acht Wirkstoffe lag zu diesem Zeitpunkt noch kein Erstattungsbetrag vor. „29 dieser Wirkstoffe und damit jeder Fünfte seit 2011 neu eingeführte Wirkstoff ist Anfang 2018 allerdings nicht mehr in Deutschland verfügbar“, heißt es.

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