Der BPI hat die AMNOG-Daten 2019 veröffentlicht. Foto: © iStock.com/utah778
Der BPI hat die AMNOG-Daten 2019 veröffentlicht. Foto: © iStock.com/utah778

Prognose: Arzneimittelausgaben steigen nur moderat

Sie sind die große Sorge von Gesundheits- und Sozialpolitikern: steigende Ausgaben für Arzneimittel, die die Nachhaltigkeit von Gesundheitssystemen gefährden. Eine Studie hat sich die zu erwartenden Ausgabensteigerungen für Arzneimittel in den Jahren 2017 bis 2021 in den fünf größten Märkten Europas (EU5) angeschaut. Das Ergebnis dürfte wie ein hochdosiertes Beruhigungsmittel wirken: Demnach werden die Ausgaben für Arzneimittel in den kommenden Jahren mit rund 1,5 Prozent pro Jahr nicht schneller steigen als die prognostizierten gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten.

„Provide some comfort“ – so interpretieren die Wissenschaftler die Daten ihrer Studie: Ihre Ergebnisse dürften politischen Entscheidungsträgern, die sich Sorgen um die Nachhaltigkeit ihrer Gesundheitssysteme machen, „ein wenig Beruhigung“ verschaffen. Denn: „Unsere Resultate weisen darauf hin, dass die zukünftigen Ausgaben für Arzneimittel – erstens – voraussichtlich niedriger ausfallen werden als die Prognosen, die auf Listenpreisen basieren, und dass sie – zweitens – unterhalb der Steigerungsraten der vorhergesagten Wachstumsraten für die gesamten Gesundheitsausgaben liegen und damit im Einklang stehen mit den langfristigen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten.“ Oder einfacher: Tritt die in der Studie gezeichnete Prognose ein, werden die Ausgaben für Arzneimittel zwar moderat steigen – aber eben weniger stark als die Gesamtausgaben für Gesundheit.

Für die Prognosen haben sich die Wissenschaftler – mit dabei der deutsche Mediziner und Gesundheitsökonom Prof. Dr. Michael Schlander – nicht die offiziellen Listenpreise angeschaut, sondern die tatsächlich gezahlten Preise für Medikamente. Sprich: Dort, wo die Daten verfügbar waren, wurden Rabatte und Abschläge berücksichtigt. Dazu wurden die Listenpreise und Abschläge aus den Jahren 2010 bis 2016 als Basis genommen, um den entsprechenden Effekt für die Jahre 2017 bis 2021 zu berechnen. Und der hat es in sich: In den fünf größten Märkten für Arzneimittel in Europa (EU5) – neben Deutschland sind das Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien – führt das im Betrachtungszeitraum fast zu einer Halbierung der prognostizierten Wachstumsraten (2,9 % vs. 1,5 %). Der Anstieg auf Basis der Preise, die am Ende im System tatsächlich bezahlt werden, sind deutlich niedriger als die Schätzungen auf Basis von Listenpreisen.

Ausgaben für Arzneimittel steigen nur moderat

Die Wissenschaftler beklagen, dass Gesundheitspolitik in Bezug auf Arzneimittelpreise wenig datenbasiert agiert. So haben sie bei ihrer Recherche nicht eine einzige Studie eines Regierungsorgans gefunden, die die Ausgaben für Arzneimittel für die Zukunft prognostiziert. „Es herrscht unter politischen Entscheidungsträgern die allgemeine Überzeugung, dass die Ausgaben für Arzneimittel – getrieben durch hohe Preise – in der Zukunft nicht nachhaltig sind, solange nicht weitere Reformen erlassen werden“, heißt es in der Studie. Die Folgen: politische Maßnahmen der Kostenkontrolle. Dabei zeigt die Studie, dass die Differenz zwischen Listen- und tatsächlich gezahlten Preise nicht nur „signifikant“ ist, sondern sich auch vergrößert. In Sachen Nachhaltigkeit gehen demnach vom Segment des Arzneimittelmarktes wenig Gefahren aus: „Unsere Resultate deuten darauf hin, dass die Ausgaben für Arzneimittel unter Kontrolle sind.“ Ein Fakt, der auch beim Blick in die Vergangenheit Nahrung erhält: Gemessen an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen ist der Anteil der Ausgaben für Arzneimittel seit Jahrzehnten konstant.

Die Methodik – Evaluierung der tatsächlichen, statt der Listenpreise – führt nach der Studie auch in Deutschland zu anderen Zahlen. Die Wissenschaftler gehen von Steigerungsraten von rund 2 Prozent (statt 3,2 %) aus. Das liegt vor allem an der Berücksichtigung von Zwangsabschlägen auf verschreibungspflichtige Arzneimittel sowie von Rabattverträgen. Letztere seien allein in den Jahren zwischen 2010 und 2016 um das Siebenfache gestiegen. Hinzu kommt, dass der Anteil an Medikamenten, die das Nutzenbewertungsverfahren AMNOG durchlaufen, stetig steigt – und damit auch die im Rahmen des AMNOG ausgehandelten Preise.

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