Der Countdown läuft: Am 9. Februar wird ein neuer Fälschungsschutz für Arzneimittel eingeführt. Foto: CC0 (Stencil)
Der Countdown läuft: Am 9. Februar wird ein neuer Fälschungsschutz für Arzneimittel eingeführt. Foto: CC0 (Stencil)

Für Arzneimittel-Fälscher brechen schwere Zeiten an

Der Countdown läuft: Am 9. Februar tritt eine Fälschungsschutzrichtlinie der EU in Kraft, die „Falsified Medicine Directive“ (FMD). Ab diesem Stichtag müssen alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die ein Hersteller für den Verkauf freigibt, zusätzliche Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung enthalten. Die Patienten dürfte das freuen. Für Apotheker, Großhändler und insbesondere für Pharmaunternehmen ist diese Umstellung aber auch eine große Aufgabe.

Nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation WHO ist in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen jedes zehnte Medikament gefälscht. Gefälschte und minderwertige Medizinprodukte gibt es in jeder Region der Welt und in allen Indikationen – vom Krebsmedikament bis hin zum Schmerzmittel. Verkauft werden die gepanschten Mittelchen in Europa vor allem von zwielichtigen Anbietern im Internet, mit steigender Tendenz. So stellten Zoll-Fahnder in Deutschland allein im Jahr 2015 rund 3,9 Millionen gefälschte Tabletten sicher. Und im Jahr 2018 wurden bei einer einwöchigen weltweiten Operation von Zoll- und Polizeibehörden rund 100.000 Tabletten, Kapseln und Ampullen aus dem Verkehr gezogen, wobei 80 Prozent der Fälschungen auf Potenzmittel entfielen.

© securPharm e.V.
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Mit kriminellen Machenschaften bei der Abgabe von Medikamenten soll nun Schluss sein. Schon bald wird jede in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern vertriebene Medikamentenverpackung zwei zusätzliche Sicherheitsmerkmale enthalten: Einen so genannten „Erstöffnungsschutz“, also ein Siegel oder einen Klebstreifen, an dem sofort zu sehen ist, ob die Packung schon einmal geöffnet wurde. Und eine individuelle Packungsnummer, die auch als „Unique Identifier“ bezeichnet wird. Diese Nummer ist die Grundlage für eine Echtheitsprüfung, die künftig bei jeder einzelnen Packung erfolgt.

Komplexe Anforderungen

Die europäischen Pharmaunternehmen bereiten sich schon seit Jahren auf den verbesserten Fälschungsschutz vor. „Allein in Deutschland werden pro Jahr 750 Millionen zu verifizierende verschreibungspflichtige Arzneimittel an die Patienten abgegeben“, heißt es seitens des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Werner Prügner, der bei GSK Pharma Deutschland das FMD-Projektteam leitet, erklärt: „Die Anforderungen sind hoch und komplex, von der Herstellung über die Logistik bis zur IT muss alles perfekt ineinandergreifen.“ Wie alle anderen Pharmaunternehmen vergibt auch GSK künftig individuelle Packungsnummern und lädt sie in eine Datenbank hoch. Das klingt einfach, ist aber in Wahrheit ziemlich aufwendig, da jede Packung eine andere Seriennummer erhält. „Die Serialisierung ist für uns ein Schritt in eine neue Ära“, so Werner Prügner, „aber sie ist auch gewissermaßen eine weitere Hürde, die wir nun neben den übrigen Zulassungsanforderungen nehmen müssen.“ Die Kosten für die neuen Sicherheitsmerkmale tragen übrigens nicht etwa Krankenkassen oder staatliche Institutionen – sondern ausschließlich die Pharmaunternehmen.

Eine wichtige Rolle beim Fälschungsschutz spielen auch die Apotheken. Sie müssen die Sicherheitsmerkmale überprüfen und dürfen ein Medikament erst nach erfolgreicher Echtheitsprüfung abgeben. Wie das konkret abläuft, erklärt Apothekerin Susanne Böhm aus Böblingen: „Bevor wir die Ware abgeben, scannen wir den Code auf der Verpackung und buchen die individuelle Packungsnummer aus dem Datenbank-System aus.“ Probleme erwartet sie nicht, solange keine Pannen bei der Datenübermittlung auftreten. Die Patienten werden also nichts von der Umstellung merken. Mit einer Ausnahme: „Wenn die Kunden ein Medikament bestellen, das ich nicht vorrätig habe, müssen sie es nach der Lieferung innerhalb von 10 Tagen abholen“, so Susanne Böhm, „bisher konnten sie sich dafür länger Zeit lassen – und erstaunlich viele Patienten haben das auch getan.“

© securPharm e.V.
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Neben Apotheken und Pharmaunternehmen beteiligen sich auch die Großhändler an der Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie: Sie prüfen die Sicherheitsmerkmale zum Beispiel dann, wenn eine Packung von einer Apotheke oder einer anderen Großhandlung zurückgegeben wird – ebenso bei Arzneimitteln, die nicht direkt vom Hersteller geliefert werden.

Europäisches Netzwerk

Die einzelnen EU-Länder haben nationale Systeme aufgebaut, die ein gemeinsames Netzwerk bilden. In Deutschland laufen die Fäden bei securPharm zusammen, einem Verein, der über Mitgliedsbeiträge von Verbänden der Pharmaunternehmen, Apotheken und Großhandlungen finanziert wird. Alle Beteiligten müssen sich bei securPharm registrieren, um die EU-Vorgaben zu erfüllen – Anfang Januar hatten das 97 Prozent der insgesamt 350 pharmazeutischen Unternehmen auch getan, ebenso 98 Prozent der 19.500 öffentlichen Apotheken. „Am 9. Februar werden dann erstmals europaweit alle Systeme zusammengeführt“, erklärt securPharm-Sprecherin Nathalie Steinhauser. Sie betont allerdings auch: „Dieses Datum ist keine Vorher-/Nachher-Schranke, sondern es ist ein Startpunkt für das neue Schutzsystem.“ Von nun an müssen alle neu hergestellten Arzneimittel die Sicherheitsmerkmale enthalten – aber verkauft werden dürfen bis zum Verfallsdatum auch alle Arzneimittel, die vor dem 9. Februar noch ohne individuelle Seriennummer und Erstöffnungsschutz hergestellt wurden. Nathalie Steinhauser: „Ab dem Stichtag werden nach und nach die prüfpflichtigen Packungen in den Handel kommen. Wir gehen daher von einem sanften Übergang aus, so wie es vom europäischen Gesetzgeber vorgesehen ist.“

Eine deutlich verbesserte Sicherheit bietet der neue Fälschungsschutz auch nur bei Medikamenten, die über legale Vertriebswege zu den Patienten kommen – also über öffentliche oder Krankenhaus-Apotheken. Auch Versandapotheken müssen die neue EU-Richtlinie umsetzen. Wer aber seine Medikamente von einem illegalen Versender bezieht, läuft auch in Zukunft Gefahr, ein gefälschtes Medikament zu erhalten. Mit anderen Worten: Auch nach dem 9. Februar empfiehlt es sich, vor dem Kauf von Medikamenten den gesunden Menschenverstand einzuschalten.

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