Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels sind auch in Deutschland bereits heute spürbar. Das zeigt eine aktuelle Studie. Sie ist eine Warnung. Foto: ©iStock.com/luigi giordano
Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels sind auch in Deutschland bereits heute spürbar. Das zeigt eine aktuelle Studie. Sie ist eine Warnung. Foto: ©iStock.com/luigi giordano

Der Klimawandel macht krank – auch in Deutschland

„Ein Kind, das heute geboren wird, wird eine Welt erleben, die mehr als vier Grad wärmer ist als im vorindustriellen Durchschnitt; der Klimawandel wird sich von der Kindheit, über die Jugend, das Erwachsenensein, bis hin ins hohe Alter auf die menschliche Gesundheit auswirken“. Das schreibt ein internationales Wissenschaftlerteam in einer Studie, die jährlich im Fachmagazin „The Lancet“ erscheint. Zum ersten Mal wurde 2019 dazu ein Deutschland-Bericht veröffentlicht. Er zeigt, „dass die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels nicht irgendwann in weit entfernten Weltgegenden spürbar werden, sondern hier und heute", resümiert Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.

Rund 4 Millionen Menschen – vor allem Kinder und Jugendliche – gingen am 20. September 2019 gemeinsam weltweit auf die Straße. 1,4 Millionen waren es allein in Deutschland. Sie demonstrierten für nichts weniger als ihre Zukunft. „Die Klimakrise ist eine reale Bedrohung für die menschliche Zivilisation – die Bewältigung der Klimakrise ist die Hauptaufgabe des 21. Jahrhunderts. Wir fordern eine Politik, die dieser Aufgabe gerecht wird“, heißt es auf der deutschen Webseite der Bewegung „Fridays for Future“. Die Wissenschaft steht hinter den jungen Menschen. Allein im deutschsprachigen Raum unterstützen über 27.000 „Scientists for Future“ die Bewegung.

Der Klimawandel trifft vor allem Kinder. Foto: CC0 (Stencil)
Der Klimawandel trifft vor allem Kinder. Foto: CC0 (Stencil)

Und auch die Studie, die nun in „The Lancet“ erschienen ist, bestätigt es nochmals: Die Klimakrise bedroht die Menschheit in einem noch nie dagewesenen Maße – das betrifft auch ihre Gesundheit. „Überall auf der Welt sind es Kinder, die der Klimawandel am stärksten trifft“, schreibt das „The Lancet Countdown“-Konsortium, das 35 akademische Einrichtungen und UN-Organisationen aus allen Erdteilen vereint. Nicht nur ist die Nahrungsproduktion (Stichwort: Unterernährung) in Gefahr; Kinder leiden auch stärker unter Durchfallerkrankungen oder an dem durch Mücken übertragbaren Dengue-Fieber. Während sie heranwachsen, fügt die Luftverschmutzung – angetrieben durch fossile Brennstoffe und verstärkt durch den Klimawandel – „dem Herzen, den Lungen und allen anderen lebenswichtigen Organen“ Schaden zu. 

Klimakrise: Hitzschlag, Herzinfarkt, akutes Nierenversagen

Extreme Wetterbedingungen setzen den Menschen schon jetzt weltweit zu. Allein im Jahr 2018 verlor man aufgrund steigender Temperaturen und Hitzewellen laut der Wissenschaftler global 133,6 Milliarden potenzielle Arbeitsstunden. 

Hitzewellen. Foto: ©iStock.com/luigi giordano
Hitzewellen. Foto: ©iStock.com/luigi giordano

Fest steht: Auch für Unternehmen wird der Klimawandel teuer.

Wie aus dem Deutschland-Bericht („Policy Brief“) des Lancet Countdown hervorgeht, ist im Vergleich zu 1971 bis 2000 bis zum Ende des Jahrhunderts mit jährlich fünf zusätzlichen Hitzewellen in Norddeutschland und bis zu 30 zusätzlichen Hitzewellen in Süddeutschland zu rechnen. Wird weiterhin „Business as usual“ betrieben und der Ausstoß der Treibhausgase nicht reduziert, „wird die Durchschnittstemperatur in Deutschland laut Prognosen um 1,0 bis 1,3 Grad bis 2050 und um 3,7 Grad bis 2100 ansteigen, verglichen mit dem Zeitraum 1971-2000.“ 

Hitzestress sowie hohe bodennahe Ozonkonzentrationen während Hitzewellen können gravierende Folgen für die Gesundheit der Menschen haben. „Dazu zählen unter anderem Hitzschlag, Herzinfarkt und akutes Nierenversagen aufgrund von Flüssigkeitsmangel. Am stärksten gefährdet sind ältere Menschen, Säuglinge, Patienten mit chronischen Erkrankungen sowie Personen, die schwere körperliche Arbeit im Freien verrichten, etwa Bauarbeiter“, warnen die Bundesärztekammer, Charité (Universitätsmedizin Berlin), das Helmholtz Zentrum München, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und die Hertie School in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Bis zum Ende des Jahrhunderts werden für Deutschland 8.500 zusätzliche hitzebedingte Todesfälle pro Jahr erwartet.

Steigende Temperaturen - erhöhte Gefahr durch Infektionskrankheiten. Foto: CC0 (Stencil)
Steigende Temperaturen – erhöhte Gefahr durch Infektionskrankheiten. Foto: CC0 (Stencil)

Gefahr durch Infektionskrankheiten steigt 

Zudem ermöglichen steigende Temperaturen auch in Deutschland die Ausbreitung von Überträgern von Infektionskrankheiten. „Das betrifft Infektionskrankheiten, die in einigen Teilen Deutschlands bereits vorkommen, wie die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und die Borreliose, welche beide durch Zecken übertragen werden.“ Aber auch Dengue-Fieber, Zika- oder Chikungunya-Virus könnte es bald hierzulande geben. Wie das durch Mücken übertragbare West-Nil-Fieber: In diesem Jahr traten erstmals Fälle bei Menschen in der Bundesrepublik auf. 

„Steigende Temperaturen verändern auch die Biologie allergener Pollen, so dass sich bei Pflanzen, beispielsweise beim Beifuß-Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia), die saisonale Dauer des Pollenfluges verlängert und die Pollenmenge ansteigt, was Asthma und allergische Reaktionen verstärkt“, heißt es in dem Deutschland-Bericht weiter. Außerdem können sich bei zunehmender Erwärmung z.B. Blaualgen und bestimmte Bakterien in Seen oder der Ostsee verbreiten. Im vergangenen Sommer kam es bei Badegästen an der deutschen Küste zu Todesfällen in Folge von Vibrionen-Infektionen.

Klimakrise: Politik muss handeln

Klimawandel: Politik muss handeln. Foto: CC0 (Stencil)
Klimawandel: Politik muss handeln. Foto: CC0 (Stencil)

Für Dr. Klaus Reinhardt von der Bundesärztekammer ist klar: Es gilt, jetzt zu handeln. Die Politik müsse geeignete Rahmenbedingungen schaffen, um Gesundheitsrisiken abzuwenden. „Neben einem nationalen Hitzeschutzplan sind konkrete Maßnahmenpläne für Kliniken, Not- und Rettungsdienste sowie Pflegeeinrichtungen zur Vorbereitung auf Hitzeereignisse notwendig“. 

Laut der Autoren des Deutschland-Berichts muss sich die „Erkenntnis, dass der Klimawandels eine zunehmende Gesundheitsbedrohung darstellt“, allgemein durchsetzen. Sie fordern daher u.a. die „rasche Einbeziehung von Klimawandel und Planetary Health in die Lehrpläne aller Gesundheits- und medizinischen Fakultäten sowie in die Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Gesundheitsberufe“. 

Aber auch der Gesundheitssektor selbst müsse seinen CO2-Fußabdruck verringern – so haben etwa deutsche Krankenhäuser „enorme Möglichkeiten, ihren Energieverbrauch zu senken“, heißt es.

Eine Welt im Sinne des Pariser Klimaabkommens ist möglich

Mit dem Pariser Klimaabkommen haben sich Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die durchschnittliche Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen – möglichst auf maximal 1,5 Grad, um die Risiken und Folgen des Klimawandels zu mindern.

Das Lancet Countdown-Konsortium zeichnet folgendes Bild: Ein Kind, das heute in eine Welt geboren wird, die dem Pariser Abkommen gerecht wird, würde an seinem sechsten und seinem elften Geburtstag erleben, dass das Vereinigte Königreich und Kanada keine Kohle mehr nutzen. Wenn es 21 Jahre alt wird, würden in Frankreich alle Autos mit Verbrennungsmotoren verboten. Und mit 31 wird es Zeuge davon, wie die Menschheit weltweit Netto-Null-Emissionen erreicht – und „klimaneutral“ lebt. 

Im Kampf gegen den Klimawandel braucht es den Einsatz von allen Menschen weltweit. Foto: CC0 (Stencil)
Im Kampf gegen den Klimawandel braucht es den Einsatz von allen Menschen weltweit. Foto: CC0 (Stencil)

Maßnahmen gegen den Klimawandel nützen Gesundheit

Den Wissenschaftlern ist klar: „Eine noch nie dagewesene Herausforderung erfordert eine noch nie dagewesene Antwort. Und es braucht den Einsatz von all den 7,5 Milliarden Menschen weltweit, um sicherzustellen, dass die Gesundheit eines heute geborenen Kindes nicht vom Klimawandel bestimmt wird.“ Noch ist der Fortschritt im Kampf gegen den Klimawandel „mangelhaft“. Auch deshalb gehen die jungen Menschen weiterhin auf die Straße. „Fridays for Future“ ruft am 29. November im Vorfeld der Weltklimakonferenz erneut zum globalen Klimastreik auf – alle Bürger sind gefragt.

Prof. Dr. Sabine Gabrysch, Ärztin und Professorin für Klimawandel und Gesundheit an der Charité und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, betont: „Vorsorge ist besser als Nachsorge, und die beste Vorsorge bei Klima und Gesundheit ist die rasche Verringerung unseres Ausstoßes von Treibhausgasen.” Sie sieht einen enormen Wert in „Win-win-Lösungen“: „Wenn wir Kohlekraftwerke abschalten und unsere Städte fahrradfreundlicher gestalten und dadurch der Autoverkehr abnimmt, nützt das nicht nur dem Klima. Diese Maßnahmen helfen auch gegen Luftverschmutzung und führen zu mehr Bewegung. Beides ist ein direkter Gewinn für unsere Gesundheit durch weniger Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen.“

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