Eine Erhebung des vfa zeigt: Seine Mitgliedsfirmen entwickeln gegen mehr als 145 Krankheiten Medikamente  die bis Ende 2023 die Zulassung erhalten könnten. Foto: ©iStock.com/Gorodenkoff Productions OU
Eine Erhebung des vfa zeigt: Seine Mitgliedsfirmen entwickeln gegen mehr als 145 Krankheiten Medikamente die bis Ende 2023 die Zulassung erhalten könnten. Foto: ©iStock.com/Gorodenkoff Productions OU

vfa: „Forschungserfolge gibt es nicht auf Knopfdruck“

Trotz aller Misserfolge in Sachen Alzheimer-Forschung haben Wissenschaftler „weiter an neuen Medikamenten gearbeitet“, sagt Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). Er verspricht: „Unsere Unternehmen werden nicht aufgeben, bis gut wirksame Mittel zur Verhütung oder Behandlung von Alzheimer verfügbar sind.“ Eine Erhebung unter den vfa-Mitgliedsfirmen zeigt: Im Kampf gegen mehr als 145 Krankheiten arbeiten sie an insgesamt 434 Arzneimittelprojekten, die so weit fortgeschritten sind, dass sie bis Ende 2023 zu einer Zulassung oder Zulassungserweiterung führen könnten. Darunter sind acht gegen Alzheimer.

Die Voraussetzung, um ein wirksames Medikament oder gar ein Heilmittel entwickeln zu können? Eine Grundlagenforschung, die sich intensiv damit auseinandersetzt, was für Prozesse im Körper ablaufen. Es ist ein langer Weg, bis die zugrundeliegenden Mechanismen der jeweiligen Erkrankung verstanden sind. Doch er lohnt sich: In der Vergangenheit führten neue Erkenntnisse der Virusforschung zum Beispiel dazu, dass „zahlreiche Unternehmen beherzt in die Erfindung neuer Mittel gegen Hepatitis C“ einstiegen und „sich einen intensiven Wettbewerb“ lieferten, so Steutel. „Im Ergebnis stehen heute mehrere Medikamente zur Verfügung, die fast alle Infizierten nebenwirkungsarm und binnen weniger Wochen heilen können.“ Das macht Hoffnung – auch für eine komplexe neurologische Erkrankung wie Alzheimer.

Arzneimittelprojekte gegen 44 verschiedene Krebsarten

Foto: ©iStock.com/ismagilov
Foto: ©iStock.com/ismagilov

Aktuell erlebt v.a. die Onkologie eine regelrechte Wissensexplosion. Das Ergebnis: 206 Projekte (Stand: 31.10.19), die der vfa mit „Perspektive 2023“ gelistet hat, adressieren diverse Krebserkrankungen. Die darin untersuchten Medikamente befinden sich derzeit entweder in Studien mit Patienten oder im europäischen Zulassungsverfahren. Ist das nicht ein bisschen viel? Nein, sagt der vfa: Denn Krebs ist nicht gleich Krebs – die Projekte richten sich gegen 44 verschiedene Tumorarten. Außerdem werden Medikamente z.B. für unterschiedliche Erkrankungsstadien oder als Einzel- und Kombinationstherapie erprobt.

In einer Broschüre, die der vfa veröffentlicht hat, heißt es: „Für die Patienten ist es eine gute Nachricht, wenn zu ihrer Krebsart viele Ansätze parallel verfolgt werden. Denn damit steigen die Chancen, dass dieser Krebs auch dann langfristig in Schach gehalten werden kann, wenn das erste Medikament nicht mehr wirkt.“ Außerdem hofft man, ältere „Schrotschuss“-Therapien „durch solche zu ersetzen, die genau auf den Einzelfall passen und damit wirksamer und nebenwirkungsarmer sind.“

Laut dem Pharmaverband ist mittelfristig das Ziel, Patienten, deren Erkrankung frühzeitig diagnostiziert wurden, zu heilen und fortgeschrittene Tumore dauerhaft unter Kontrolle zu halten.

Han Steutel, Foto: ©BMS / Carolin Jacklin
Han Steutel, Foto: ©BMS / Carolin Jacklin

Keine Garantie für Arzneimittel-Zulassung

Ob gegen Krebs, Entzündungs-, Infektions-, Stoffwechsel-, neurologische Krankheiten, Herz-Kreislauf-Probleme oder andere Leiden wie Arthrose: Dem vfa ist durchaus bewusst, dass bis Ende 2023 nicht alle der insgesamt 434 gelisteten Projekte (Stand: 31.10.2019) zu einer Zulassung führen werden. „Einige werden beendet werden müssen, selbst im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium“.

Han Steutel erklärt: „Forschungserfolge gibt es nicht auf Knopfdruck, leider! Sonst wäre ein heilendes Alzheimermedikament längst da.“ Da ist es eine gute Nachricht, dass – wie der vfa schreibt – „gegen die meisten Krankheiten mehr als nur ein oder zwei neue Medikamente entwickelt werden“. So „ist die Chance auf Fortschritt für die jeweiligen Patienten trotzdem groß.“

Forschende Pharmaunternehmen gehen neue Wege

Innovation wird bei den Arzneimittelherstellern großgeschrieben: Über die Hälfte (51 %) der 434 Projekte „basieren auf Wirkstoffen, die noch nie zuvor Bestandteil eines in Europa zugelassenen Medikaments waren.“ Bei den restlichen Forschungsvorhaben geht es entweder um eine neue Darreichungsform (11 %) für einen Wirkstoff, der bereits zugelassen ist, oder um eine Zulassungserweiterung (38 %). Im letzteren Fall wird geprüft, ob ein bewährtes Arzneimittel z.B. auch gegen eine andere Krankheit wirksam ist.

Grafik: ©vfa
Grafik: ©vfa

Doch oftmals gehen die forschenden Unternehmen ganz neue Wege. Ein Beispiel: Gentherapien. Bisher sind erst acht zugelassen – gezählt nach den Anwendungsgebieten. „Bis 2023 könnten forschende Pharma-Unternehmen weitere 15 auf der Basis von acht neuen und zwei schon zugelassenen Wirkstoffen hinzufügen“, so der vfa. Darunter sind z.B. T-Zell-Therapien, bei denen bestimmte Immunzellen eines Patienten gentechnisch so verändert werden, dass sie Krebszellen erkennen und bekämpfen können (s. Pharma Fakten: CAR-T-Zelltherapie).

Forschungsstandort Deutschland

Für den hiesigen Forschungsstandort sieht es Han Steutel übrigens als „Warnzeichen“, dass die „ersten erfolgreichen Gentherapien gegen Krebserkrankungen und Erbkrankheiten […] fast völlig außerhalb Deutschlands erprobt worden“ sind. Er fordert: „Deutschland muss wieder Europameister bei klinischen Studien werden“. Seit 2017 sei man hierzulande im europäischen Vergleich zurückgefallen. „[E]rst auf Platz 2 hinter Großbritannien, womöglich bald auch noch hinter Spanien. Ich spreche von der Mitwirkung von Kliniken und Arztpraxen des Landes an klinischen Studien der Pharmafirmen zu neuen Medikamenten und Therapien.“

Topplatzierung in der Forschung sagt „viel über die Leistungskraft und Zukunftsfähigkeit des Landes“ aus. ©iStock.com/Gorodenkoff Productions OU
Topplatzierung in der Forschung sagt „viel über die Leistungskraft und Zukunftsfähigkeit des Landes“ aus. ©iStock.com/Gorodenkoff Productions OU

Um sich wieder an die Spitze vorzuarbeiten, müsse sich einiges ändern. Ein Beispiel von vielen: Auf „Studiengenehmigungen müssen Unternehmen bei deutschen Behörden oft weit länger warten als in anderen EU-Ländern.“ Doch Steutel weiß: „Platz 1 muss man wollen!“ Für Deutschland wäre das ein wichtiges Ziel. Denn eine Topplatzierung in Sachen Forschung sagt „viel über die Leistungskraft und Zukunftsfähigkeit des Landes“ aus. „Schließlich geht es darum, ob Patienten und Patientinnen frühzeitigen Zugang zur Medizin der Zukunft haben, ob deutsche Medizin innovative Therapien mitgestalten kann und ob forschende Pharma-Unternehmen wieder mehr von ihrem internationalen Studienbudget in Deutschland ausgeben“, resümiert der vfa-Präsident.

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