In einer Studie haben Forscher für zwölf einkommensstarke Länder untersucht  wie hoch die Anteile unter den Hypertonikern sind  bei denen die Erkrankung  diagnostiziert  behandelt und unter Kontrolle gebracht wurde. Foto: CC0 (Stencil)
In einer Studie haben Forscher für zwölf einkommensstarke Länder untersucht wie hoch die Anteile unter den Hypertonikern sind bei denen die Erkrankung diagnostiziert behandelt und unter Kontrolle gebracht wurde. Foto: CC0 (Stencil)

Unkontrollierter Bluthochdruck: Eine enorme Krankheitslast

„Bluthochdruck ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Schlaganfall, Herz- und Nierenerkrankungen“, heißt es in einer Studie im Fachmagazin „The Lancet“. Forscher haben daher für zwölf Länder mit hohem Einkommen untersucht, wie hoch die Anteile unter den Hypertonikern sind, bei denen die Erkrankung jeweils diagnostiziert, behandelt und unter Kontrolle gebracht wurde. Das Ergebnis: Das Bewusstsein für Bluthochdruck scheint seit den 1980ern und -90ern gewachsen zu sein – doch es ist nach wie vor Luft nach oben. Laut den Wissenschaftlern birgt unkontrollierter Bluthochdruck eine „enorme Krankheitslast“.

Bluthochdruck – oder Hypertonie – ist eine stille Gefahr. Es ist eine Erkrankung des Gefäßsystems, bei der der Blutdruckwert dauerhaft bei 140/90 mm Hg oder höher liegt. Das schädigt im Laufe der Zeit die Organe des Patienten – Herzinfarkt oder Schlaganfall können die Folge sein. Laut Robert Koch-Institut (RKI) lässt sich Hypertonie jedoch „durch die Umstellung von Lebensgewohnheiten sowie eine konsequente medikamentöse Therapie“ entscheidend beeinflussen (s. Pharma Fakten). Auch die „NCD Risk Factor Collaboration“ (NCD-RisC) – ein weltweites Netzwerk an Gesundheitswissenschaftlern, das sich dem Kampf gegen nicht-übertragbare Krankheiten verschrieben hat – schreibt in einer Studie in „The Lancet“: „Blutdrucksenkende Medikamente können den Blutdruck und das Risiko für assoziierte Erkrankungen effektiv reduzieren.“

Vor diesem Hintergrund haben Wissenschaftler des NCD-RisC die Daten von über eine halbe Millionen Patienten im Alter von 40 bis 79 Jahren aus Australien, Kanada, Finnland, Deutschland, Irland, Italien, Japan, Neuseeland, Südkorea, Spanien, dem Vereinigten Königreich (UK) und den USA analysiert. Laut den neusten Daten, die den Forschern zur Verfügung standen, ist die Häufigkeit der Krankheit in Kanada, Südkorea, Australien und UK am niedrigsten. In Finnland leidet der vergleichsweise größte Prozentsatz der Bevölkerung an Bluthochdruck. In Deutschland sind 43 Prozent der Frauen und 46 Prozent der Männer betroffen – das ist im internationalen Vergleich Mittelmaß und doch jeder Zweite.

Bewusstsein für Bluthochdruck hat zugenommen

Gemäß den Autoren der Studie haben in allen Ländern die Anteile der Hypertoniker, die jeweils eine Diagnose haben, die in Behandlung sind und die einen gut eingestellten Blutdruck haben, über die Zeit zugenommen. Das ist demnach v.a. den Jahren vor Mitte der 2000er zuzuschreiben – insbesondere auf die 1990er und frühen 2000er. In dieser Zeit sind, so heißt es, vermehrt klinische Leitlinien mit vereinfachten Empfehlungen zum Einsatz gekommen. Zunehmend wurden demnach die Werte, ab denen Hypertonie diagnostiziert und behandelt wurde, runtergesetzt. Mehr Menschen erhielten so z.B. eine Therapie schon ab 140/90 mm Hg.

Blutdruck unter Kontrolle. Foto: CC0 (Stencil)
Blutdruck unter Kontrolle. Foto: CC0 (Stencil)

„Über die Zeit wurden neuere Medikamente verfügbar […] und sie verbesserten bei manchen Patienten die Wirksamkeit der Therapie […] und sie hatten weniger Nebenwirkungen als die älteren Generationen“, erklären die Wissenschaftler die positive Entwicklung weiter. „Weil gewöhnlich mehrere Wirkstoffe gebraucht werden, um die Ziele hinsichtlich der Blutdruckwerte zu erreichen, hat der Einsatz von fest dosierten Kombinationspräparaten vermutlich die Komplexität des Therapieplans reduziert und die Therapietreue sowie Kontrolle [der Erkrankung] verbessert.“ Auch national implementierte Programme, wie z.B. Gesundheits-Check-ups, könnten zu der positiven Entwicklung beigetragen haben.

Bluthochdruck diagnostizieren und behandeln: große Länderunterschiede

In Deutschland wissen laut den neuesten Daten, die den Wissenschaftlern für ihre Analyse vorlagen, 87 Prozent der Frauen und 82 Prozent der Männer von ihrem Bluthochdruck. 80 Prozent der weiblichen bzw. 70 Prozent der männlichen Patienten mit Hypertonie sind in Behandlung. 58 Prozent bzw. 48 Prozent aller Betroffenen haben einen gut eingestellten Blutdruck.

Doch die Unterschiede zwischen den Ländern sind groß: So haben etwa in Deutschland und Kanada zwei bis viermal so viele Patienten ihren Blutdruck unter Kontrolle wie in Irland, Japan, Italien, Spanien und Finnland. Ursachen sind eine fehlende Diagnose oder Therapie; aber auch manche Behandelten erreichen nicht die gewünschten Blutdruckwerte. Wirft man einen Blick auf die Gruppe der Menschen, die Bluthochdruck in Stadium 2 haben (>160/100 mm Hg), zeigt sich: Der Anteil derjenigen, die keine Diagnose oder Therapie haben, liegt in den USA und in Deutschland in den meisten Altersgruppen bei unter fünf Prozent. In Finnland, Italien, Japan und Neuseeland sind jedoch teilweise bis zu 25 Prozent der Betroffenen nicht behandelt.

Hoher Blutdruck: Hauptrisiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Foto: © istock.com/ CrailsheimStudio
Hoher Blutdruck: Hauptrisiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Foto: © istock.com/ CrailsheimStudio

Im Kampf gegen Bluthochdruck: Luft nach oben

Trotzdem gilt: In allen Ländern ist das Bewusstsein für Bluthochdruck seit den 1980ern und 1990ern gestiegen. Nach Mitte der 2000er jedoch hat dieser Positivtrend ein Plateau erreicht, so die Wissenschaftler. Sogar in den Ländern mit dem höchsten Anteil an Patienten mit gut eingestelltem Blutdruck – darunter Kanada, Südkorea, die USA und Deutschland – liegt der Wert bei den 40- bis 79-Jährigen nach wie vor bei unter 70 Prozent. In Finnland, Irland, Italien, Japan, Spanien ist er für manche Geschlechter- und Altersgruppen sogar bei unter 20 Prozent.

Einen niedrigen Anteil an Hypertonikern mit Diagnose, Behandlung und gut eingestellten Blutdruck führen die

Studienautoren in manchen Fällen auf Unterschiede in nationalen Regelungen und Leitlinien zurück. In Finnland z.B. sei erst kürzlich der Wert, ab dem Bluthochdruck therapiert wird, auf 140/90 mm Hg gesenkt worden. Aber auch die jeweiligen Gesundheitssysteme und ihre Strukturen können Auswirkungen darauf haben, wie oft die Menschen zum Arzt gehen, ihre Blutdruckwerte überprüfen lassen, ob blutdrucksenkende Medikamente verschrieben werden oder die Betroffenen sich an die Behandlung halten.

Die NCD-RisC-Vertreter sind sicher, dass der Einsatz von Kombinationstherapien den Prozentsatz der Hypertoniker, deren Blutdruck unter Kontrolle ist, noch weiter erhöhen kann. Damit noch mehr Betroffene jedoch diagnostiziert und behandelt werden, „braucht es Mechanismen und Anreize“, die dafür sorgen, dass die Betroffenen öfter in Kontakt mit Ärzten und dem Gesundheitssystem kommen. Letztlich geht es darum, „die enorme Krankheitslast unkontrollierten Blutdrucks“ anzugehen.

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