Neue Medikamente zur Behandlung der Mukoviszidose sind das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und milliardenschwerer Investitionen. Foto: Jonathan Browning
Neue Medikamente zur Behandlung der Mukoviszidose sind das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und milliardenschwerer Investitionen. Foto: Jonathan Browning

Mit CFTR-Modulatoren die Mukoviszidose bekämpfen

Mukoviszidose ist eine seltene, lebensverkürzende, genetische Erkrankung, die in Deutschland rund 6.300 Menschen betrifft. Bis zum Jahr 2012 konnten Ärztinnen und Ärzte nur die Symptome behandeln. Doch seitdem kommen immer mehr Medikamente auf den Markt, die die Erkrankung an ihrer Ursache angreifen. Sie sind das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und milliardenschwerer Investitionen. Und für die Patienten eine große Chance.

Es ist ein Gendefekt – die betroffenen Menschen kommen als Mukoviszidose-Patienten auf die Welt. Weltweit gibt es rund 75.000 von ihnen. Ursache dieser Erkrankung ist ein defektes oder fehlendes CFTR-Protein. Somit ist der Flüssigkeitsaustausch (Wasser, Chlorid-Ionen), den das Protein eigentlich regulieren soll, gestört. Als Folge werden Körpersekrete wie der Schleim in der Lunge dickflüssig und zäh und beeinträchtigen die Funktionen lebenswichtiger Organe. In den Atemwegen kann der Schleim chronische Lungeninfektionen und eine fortschreitende Schädigung der Lunge verursachen – bis hin zum Tod. Das Sterbealter liegt im Mittel in Deutschland bei rund 35 Jahren. Doch in den vergangenen Jahren sind Medikamente – so genannte CFTR-Modulatoren –  entwickelt worden, mit denen es bei infrage kommenden Mutationen gelingen kann, die Krankheit dort anzugreifen, wo sie sich auswirkt. Eine Heilung der Krankheit ist zurzeit noch nicht möglich. Bei den CFTR-Modulatoren handelt es sich um Langzeittherapien. Die bisherige symptomatische Therapie (Physiotherapie, Inhalation, Ernährungstherapie) sollte auch weiterhin parallel zur Medikamenteneinnahme erfolgen.

In der Erforschung dieser Medikamente ist das Biotech-Unternehmen Vertex Pharmaceuticals führend: Ein Interview mit Dr. Sieglinde Modell, Senior Medical Director bei Vertex Central and Eastern Europe & Distributor Markets.

Frau Dr. Modell, was macht dieser Gendefekt mit den betroffenen Menschen?

Dr. Sieglinde Modell, Senior Medical Director bei Vertex Central.
Foto: Vertex
Dr. Sieglinde Modell, Senior Medical Director bei Vertex Central.
Foto: Vertex

Dr. Sieglinde Modell: Für die Menschen, die ja bereits in jungen Jahren mit der Krankheit konfrontiert sind, und ihre Angehörigen ist die Mukoviszidose eine große Belastung. Es ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der Körperflüssigkeiten wie Speichel, Bronchialschleim oder auch Bauchspeicheldrüsensekret zähflüssiger sind als bei gesunden Menschen. Die Folgen sind z. B. Atemprobleme, häufige Lungenentzündungen, Reizhusten, schwere Verdauungsstörungen. Die Symptome können von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein, aber die Krankheit ist grundsätzlich fortschreitend und lebensverkürzend. In Deutschland lag im Jahr 2018 das durchschnittliche Sterbealter bei ungefähr 35 Jahren. Das heißt, dass viele junge Menschen gar nicht erst Zukunftspläne machen. Sie sind mehrere Stunden am Tag damit beschäftigt, ihre Krankheit zu managen. Einen Beruf zu erlernen, über eine Familie nachzudenken – für viele Menschen mit Mukoviszidose war das bisher eher kein Thema.

Wie werden die Patienten behandelt?

Dr. Modell: Die Behandlung ist über die Jahre immer besser geworden. Es gibt schleimverflüssigende und bronchienerweiternde Mittel, Inhalation, Antibiotika bei Infekten, Kortison. Damit ist es Schritt für Schritt gelungen, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und auch die Lebenserwartung zu steigern.

Aber eine ursächliche Behandlung ist das noch nicht…

Dr. Modell: Nein, lange Zeit war man gezwungen, lediglich die Folgen des Gendefekts zu behandeln, ohne an die Wurzel der Krankheit zu gelangen. Das hat sich erst 2012 geändert. Da wurde der erste CFTR-Modulator zugelassen.

Was ist das?

Dr. Modell: CFTR-Modulatoren setzen am Gendefekt an. Auf der Zelloberfläche in der Lunge, dem Verdauungssystem, den Schweißdrüsen und anderen Organen befinden sich sogenannte CFTR-Kanäle, die das Ein- und Ausströmen von Chlorid-Ionen – einem Bestandteil von Salz – regulieren. Bei Menschen mit Mukoviszidose führen vererbte Mutationen des CFTR-Gens dazu, dass die CFTR-Proteine die Zelloberfläche nicht erreichen oder nicht richtig funktionieren. Bildlich kann man sich die Wirkung der CFTR-Modulatoren vielleicht wie einen Hebel vorstellen, der die Kanäle öffnet und damit das Fließen der Körperflüssigkeiten erleichtert. Eine Folge davon ist z.B. dass sich die Lungenfunktion verbessern kann. Dies zeigen unsere klinischen Studien genauso wie auch das, was wir von Ärzten und Patienten aus dem klinischen Alltag hören.

CFTR Modulatoren: Nicht für alle - doch die Forschung geht weiter. Foto: Jonathan Browning
CFTR Modulatoren: Nicht für alle – doch die Forschung geht weiter. Foto: Jonathan Browning

Aber alle Patienten lassen sich damit nicht behandeln, oder?

Dr. Modell: Die Mukoviszidose ist in ihrer Ausprägung eine hochkomplexe Erkrankung: Das sieht man auch daran, dass man das CFTR-Gen bereits 1989 entdeckt hat, aber es mehr als zwei Jahrzehnte gedauert hat, bis aus dieser medizinischen Erkenntnis ein Medikament wurde. Von diesem Gen sind rund 2.000 Mutationen bekannt. Auch wenn es viele verschiedene Arten von CFTR-Mutationen gibt, die die Krankheit verursachen können – bekannt sind derzeit 360 – weist die große Mehrheit aller Menschen mit Mukoviszidose weltweit mindestens eine F508del-Mutation auf. CFTR Modulatoren kommen nun für immer mehr Mutationen infrage, aber nicht für alle.

Was sagen Sie den Menschen, für die die Therapie nicht funktioniert?

Dr. Modell: Dass die Forschung weitergeht. Wir sind noch nicht am Ziel. Wir verfolgen verschiedene Ansätze und hoffen, dass wir schon bald damit noch mehr Patienten erreichen und – wer weiß – vielleicht sogar die Mukoviszidose heilen können.

Wie wahrscheinlich ist das?

Dr. Modell:  Als man bei Vertex 1989 mit dem Ziel begann, eine ursächliche Therapie zu suchen, war das für die meisten reine Science-Fiction. Mehr als 70 Prozent unserer Betriebsausgaben investieren wir in Forschung und Entwicklung. Drei von fünf Vertex-Mitarbeitern arbeiten in diesem Bereich. Mit diesem Einsatz setzen wir alles daran, auch mit Hilfe gentechnischer Ansätze eines Tages möglicherweise zu einer Heilung der Erkrankung zu gelangen.

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: