Seit 1993 ist Asbest in Deutschland verboten. Und trotzdem ist es nach wie vor eine Ursache für Krebsneuerkrankungen und -Todesfälle. Foto: ©iStock.com/Imagesines
Seit 1993 ist Asbest in Deutschland verboten. Und trotzdem ist es nach wie vor eine Ursache für Krebsneuerkrankungen und -Todesfälle. Foto: ©iStock.com/Imagesines

Asbest: Noch immer für Krebs-Neuerkrankungen verantwortlich

Seit 1993 ist es in Deutschland nicht mehr erlaubt, Produkte herzustellen und zu verwenden, die Asbest enthalten. Der Grund: Der Stoff ist krebserregend. Obwohl das Verbot nun fast 30 Jahre zurückliegt, ist Asbest noch immer Ursache für neue Tumorfälle. So gehen Fachleute davon aus, dass die Zahl der Menschen, die an einem malignen Pleuramesotheliom (MPM) erkranken, bis etwa 2030 steigen wird. Die Behandlungsmöglichkeiten waren bislang limitiert – doch nun gibt es für Betroffene neue Hoffnung.

Aus Fehlern lernt man, heißt es oft zuversichtlich. Und in vielen Fällen lässt sich relativ schnell gegensteuern. Doch nicht immer: Manchmal haben Entscheidungen der Vergangenheit noch viele Jahre später Auswirkungen auf die Gegenwart. Fatale Auswirkungen. So wie bei dem Thema Asbest: Seit etwa 1930 wurde dieser Stoff in zahlreichen Produkten eingesetzt – vor allem beim Bauen. Kein Wunder, hat er doch einige besondere Eigenschaften: Er gilt als „chemisch sehr beständig, unempfindlich gegen Hitze und nicht brennbar. Er weist eine hohe Elastizität und Zugfestigkeit auf und lässt sich aufgrund seiner Bindefähigkeit mit anderen Materialien leicht zu Produkten verarbeiten“, erklärt das Umweltbundesamt. Was will man mehr?

MPM-Erkrankungen: 80-90% sind auf Asbestbelastung zurückzuführen. Foto: ©iStock.com/yodiyim
MPM-Erkrankungen: 80-90% sind auf Asbestbelastung zurückzuführen. Foto: ©iStock.com/yodiyim

Leider stellte sich schnell heraus, dass dieser Stoff gesundheitsgefährdend ist. Eingeatmete Asbest-Fasern „können langfristig in der Lunge verbleiben und das Gewebe reizen. Die Asbestose, das heißt, die Lungenverhärtung durch dabei entstehendes Narbengewebe, wurde bereits 1936 als Berufskrankheit anerkannt“, so das Umweltbundesamt. Heute ist klar: Asbest ist eindeutig krebserregend. Seit dem 31. Oktober 1993 ist es in der Bundesrepublik verboten Asbest bzw. asbesthaltige Produkte herzustellen, inverkehrzubringen und zu verwenden. Wie gesagt: Aus Fehlern lernt man. Das Problem: Die sogenannte „Latenzzeit“ zwischen Asbest-Exposition und einer Krebserkrankung kann 15 bis 67 Jahre betragen. Heißt: Weil vor langer Zeit Menschen mit diesem gefährlichen Stoff arbeiteten und in Kontakt kamen, erkranken sie teilweise noch heute an Krebs. So sind etwa 80 bis 90 Prozent der sogenannten malignen Pleuramesotheliome (MPM) – ein Krebs am Brustfell – auf Asbestbelastung zurückzuführen.

Mesotheliome: Späte Diagnose, schlechte Prognose

Das MPM gehört zu den seltenen Tumorarten – doch die Zahl der Neuerkrankungen steigt weltweit. Pro Jahr gibt es hierzulande rund 1.500 neue Fälle mit einem malignen Mesotheliom (Tumor des Weichteilgewebes), dessen häufigste Form das MPM am Brustfell ist. Oft wird die Erkrankung erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die Symptome sind unspezifisch (Gewichtsverlust, erschwerte Atmung, Schmerzen im Brustraum), bildgebende Verfahren zur sicheren Früherkennung gibt es nicht.

Mesotheliome gehören neben Bauchspeicheldrüsenkrebs zu den Tumorarten mit den niedrigsten Überlebenschancen. 2016 betrug die absolute Fünf-Jahres-Überlebensrate in Deutschland zwölf Prozent für Frauen und sieben Prozent für Männer. Das heißt: Von hundert Betroffenen leben fünf Jahre nach der Diagnose nur noch zwölf bzw. sieben. Tatsache ist, dass die medikamentösen Therapieoptionen bislang sehr begrenzt waren. Als einziges Mittel der Wahl galt lange Zeit eine Kombinations-Chemotherapie.

Neue Standards setzen? Hoffnung Immunonkologie

Nun könnte die Immunonkologie die Behandlung auf den Kopf stellen: Ihr Ziel ist es, mit Wirkstoffen die Fähigkeit des Immunsystems, selbst einen Krebs zu bekämpfen, wiederherzustellen. Verschiedene Ansätze werden dazu in Forschungslaboren weltweit untersucht. Im Juni 2021 hat die Europäische Kommission eine innovative Immuntherapie im Kampf gegen MPM zugelassen: Seit über 15 Jahren steht damit erstmals eine neue und zudem Chemotherapie-freie Option für die Erstlinienbehandlung der Patient:innen zur Verfügung.

Krebsimmuntherapie: Das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen Krebs. Foto: ©iStock.com/wildpixel
Krebsimmuntherapie: Das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen Krebs. Foto: ©iStock.com/wildpixel

„Jahrelang wurden in der Behandlung des malignen Mesothelioms nur begrenzte Fortschritte erzielt“, erklärte dazu der Onkologe Prof. Dr. Paul Baas von der Universität Leiden, Niederlande. Die neue Behandlungsoption habe „eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens bei dieser schwer behandelbaren Erkrankung gezeigt“. Aus Studienergebnissen geht hervor, dass 41 Prozent der mit der Immuntherapie Behandelten nach zwei Jahren noch am Leben waren – während das im Falle einer Chemotherapie auf 27 Prozent zutraf. Auch können die Betroffenen von einer verbesserten Lebensqualität profitieren, wie Befragungen von Patient:innen zeigen.

Vom Asbest-Verbot zur Krebsprävention

Fast hundert Jahre ist es her, dass Deutschland begann, Asbest in großen Mengen zu verwenden. Fast dreißig Jahre liegt das Verbot zurück. Und doch macht es die lange Latenzzeit von Exposition bis Krebsentstehung notwendig, dass noch heute bei Verdacht auf ein Pleuramesotheliom eine ausführliche Anamnese inklusive möglichem Asbestkontakt im Rahmen eines Berufes durchgeführt wird. Mehrere Asbest-assoziierte Erkrankungen sind als Berufskrankheiten anerkannt und ggf. über Unfallversicherungen abgedeckt – darunter sind Asbeststaublungenerkrankungen (Asbestose) oder Tumorleiden wie das Mesotheliom. Schon eine vergleichsweise kurze Asbest-Exposition von wenigen Wochen kann eine Krebserkrankung verursachen. Und nicht nur die Arbeitnehmenden aus z.B. Baubranchen, sondern auch Familienangehörige, die die Arbeitskleidung wuschen, können betroffen sein.

In der Europäischen Union (EU) ist das Herstellen und Verwenden von Asbest übrigens erst seit 2005 verboten. Manche Länder etwa in Asien, Osteuropa oder Südamerika verwenden den Stoff nach wie vor – mit dem Risiko, dass die Einwohner:innen an Krebs erkranken. Würde ein generelles Asbest-Verbot in Kraft treten, bedeutet das: Der „Effekt einer solchen Regelung“ wird „sich aufgrund der langen Latenzzeit erst nach etwa 4 Jahrzehnten zeigen“, heißt es beim Pharmaunternehmen Bristol Myers Squibb (BMS).

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: