Bis zum Jahr 2030 soll Hepatitis C ausgerottet sein – weshalb der Weg dorthin noch weit sein könnte  erklärt der Leberspezialist Prof. Wolf Peter Hofmann im Interview. Foto: ©iStock.com/Rasi Bhadramani
Bis zum Jahr 2030 soll Hepatitis C ausgerottet sein – weshalb der Weg dorthin noch weit sein könnte erklärt der Leberspezialist Prof. Wolf Peter Hofmann im Interview. Foto: ©iStock.com/Rasi Bhadramani

Hepatitis C: „Wir brauchen einen Aktionsplan“

Wenn es nach dem Willen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht, wird Hepatitis C schon in acht Jahren ausgerottet sein. In Deutschland stehen die Chancen dafür allerdings nicht sonderlich gut, wie führende Magen-Darm-Ärzte in einer Mitteilung anmerkten. Zwar seien inzwischen erste wichtige Schritte erfolgt, aber es müsse noch mehr getan werden, um Hepatitis C (HCV) auch hierzulande auszurotten. Was genau das ist und wie erfolgversprechend moderne Hepatitis-C-Therapien sind, darüber haben wir mit Prof. Wolf Peter Hofmann gesprochen, Sprecher der Fachgruppe Hepatologie im Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen.

Die WHO verfolgt das Ziel, Hepatitis C bis zum Jahre 2030 zu eliminieren. Halten Sie das für realistisch?

Prof. Dr. Wolf Peter Hofmann: Es gibt Modellrechnungen, die nahelegen, dass selbst in der westlichen Welt viele Länder das nicht schaffen werden – zumindest, solange sie ihre aktuellen Bemühungen nicht deutlich verstärken. Nach derzeitigem Stand hat von 45 Industriestaaten nur jeder fünfte realistische Aussichten, das Ziel der HCV-Eliminierung tatsächlich zu erreichen. 

Gehört Deutschland dazu?

Prof. Wolf Peter Hofmann, Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen. Foto: MAGEN-DARM-ÄRZTE.DE
Prof. Wolf Peter Hofmann, Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen. Foto: MAGEN-DARM-ÄRZTE.DE

Hofmann: Nein. 

Weshalb nicht? Was müsste denn getan werden, damit Hepatitis C auch in Deutschland verschwindet?

Hofmann: Es gibt zwar seit einigen Jahren ein Strategiepapier aus dem Bundesgesundheitsministerium, aber es gibt keinen ausformulierten Aktionsplan zur Umsetzung. Das Papier enthält Schlagworte „BIS 2030 – Bedarfsorientiert, Integriert, Sektorübergreifend“ und es enthält schriftlich niedergelegte Wunschvorstellungen – aber keinen Umsetzungsplan. Ein solcher wäre aber die Voraussetzung dafür, um die WHO-Ziele zu erreichen.

Wie könnte ein solcher Aktionsplan aussehen?

Hofmann: Die Schlüsselfaktoren sind insbesondere eine Intensivierung des Screenings und eine Steigerung der Therapieraten. Durch intensiveres Screening ließe sich die Dunkelziffer an Hepatitis-C-Infizierten deutlich verringern. Wenn man Hepatitis B und C zusammennimmt, kann man davon ausgehen, dass in Deutschland 300.000 bis 400.000 Menschen betroffen sind – viele davon wissen gar nichts von ihrer Infektion. Diese Menschen müssen wir identifizieren und im nächsten Schritt dafür sorgen, dass sie eine Therapie erhalten.

Seit Oktober 2021 gehört ein Hepatitis-C-Test zum so genannten Check-Up 35, der Vorsorgeuntersuchung für Menschen ab 35. Reicht das, um alle Menschen ausfindig zu machen, die unter die Dunkelziffer fallen?

Hofmann: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, für den sich nicht etwa das Gesundheitsministerium eingesetzt hat, sondern Fachgesellschaften, Patientenvereinigungen und die Ärzteschaft. Sie alle haben sich jahrelang dafür stark gemacht und es ist gut, dass die Politik diesen Impuls endlich aufgenommen hat. Ob dadurch die Dunkelziffer tatsächlich signifikant beeinflusst werden kann, das weiß man noch nicht. Die Frage ist, wie viele Menschen überhaupt zum Check-Up 35 gehen und ob darunter dann tatsächlich diejenigen sind, die mit Hepatitis B und C infiziert sind.

Eine Risikogruppe sind Drogengebrauchende, die vermutlich eher nicht zum Check-Up 35 gehen.

Hofmann: Das kann man nicht so pauschalisieren. Es gibt ja auch viele Menschen, die in Substitutionsprogrammen sind oder deren Drogengebrauch schon Jahre zurückliegt – die aber bisher nicht diagnostiziert oder behandelt wurden. Sie können beim Check-Up durchaus identifiziert werden.

Die Hepatitis C ist eine Entzündung der Leber. Foto: ©iStock.com/Rasi Bhadramani
Die Hepatitis C ist eine Entzündung der Leber. Foto: ©iStock.com/Rasi Bhadramani

Wenn der Check-Up 35 ein erster Schritt in die richtige Richtung ist – welche anderen Schritte müssten noch gegangen werden?

Hofmann: Die Therapie, die es ja gibt, muss rasch zu den Patienten kommen. Das bedeutet: Sobald die Patienten identifiziert wurden, sollten sie in die Obhut eines Spezialisten kommen, der Hepatitis C behandeln kann. Dieser wird dann einen molekularbiologischen Test vornehmen, um zu sehen, ob eine chronische Hepatitis C vorliegt.

Bis vor kurzem hat es sechs Monate gedauert, bis eine Behandlung beginnen konnte. Woran lag das? Wäre es nicht sinnvoll, möglichst schnell mit der Behandlung anzufangen?

Hofmann: Im Prinzip schon. Nur: Man weiß ja meistens nicht, wann die Infektion aufgetreten ist. Und es gibt sowohl bei der Hepatitis B als auch bei der Hepatitis C im natürlichen Verlauf die spontane Ausheilung. Rund 30 Prozent der Hepatitis-C Infektionen heilen von alleine aus, es wird also keine Therapie benötigt. Aus diesem Grund gab es die alte Regel, wonach eine Virushepatitis sechs Monate nachweislich sein musste – erst danach lag definitionsgemäß eine chronische Hepatitis C vor, die behandelt werden sollte. Das wurde nun sinnvollerweise modifiziert: Jetzt zählt das klinische Bild, um eine Hepatitis C als chronisch einzustufen. Wenn entsprechende Laborwerte vorliegen und in den letzten Wochen kein Infektionsrisiko stattgefunden hat, dann kann man davon ausgehen, dass es eine chronische Infektion ist. In diesem Fall ermutigt die Leitlinie uns nun, die Therapie schon vor Verstreichen der 6-Monatsfrist einzuleiten – das ist nicht nur aus rein medizinischen Gründen sinnvoll.

Sondern?

Hofmann: Es kann auch verhindern, dass uns die Patienten verloren gehen. Wenn wir Ärzte den Patienten sagen, wir müssen in sechs Monaten die Leberwerte kontrollieren und sehen, ob wir dann eine Therapie einleiten, dann kann es passieren, dass sie einfach nicht mehr wiederkommen. Dieser Verlust wird mit ungefähr 10 bis 20 Prozent angegeben. 

Wie sieht eine Behandlung gegen Hepatitis C aus?

Hofmann: Das ist eine Behandlung mit Kapseln, die eingenommen werden – je nach Präparat über einen Zeitraum von 8 bis 12 Wochen. Die Therapie ist nebenwirkungsarm, sehr einfach und hat vor allem eine hohe Effektivität, die bis zu 98 Prozent beträgt. Das bedeutet: Hepatitis C ist heute heilbar, was früher nicht der Fall war. Eine frühzeitige Therapie verhindert zudem das Risiko einer Leberzirrhose und damit auch das Risiko, dass eine Lebertransplantation nötig wird.

Welche Personengruppen tragen das größte Risiko für eine Hepatitis-C-Infektion?

Testangebote im Kampf gegen das Hepatitis C-Virus. Foto: ©iStock.com/jarun011
Testangebote im Kampf gegen das Hepatitis C-Virus. Foto: ©iStock.com/jarun011

Hofmann: Neben Menschen, die Drogen gebrauchen, sind es Patienten, die vor 1989 Bluttransfusionen bekommen haben, außerdem Männer, die Sex mit Männern haben, und so genannte Sex Worker.

Wie könnte man diese Menschen erreichen?

Hofmann: Durch niederschwellige Testangebote und Awareness bei der Ärzteschaft. So sollte immer, wenn ein Arztkontakt stattfindet, auch über einen Hepatitis-C-Test nachgedacht werden – also zum Beispiel auch in der Notaufnahme, bei Schwangerschaftsuntersuchungen oder wenn jemand sich impfen lässt.

Was sagen Sie Menschen, die Angst vor den Nebenwirkungen einer Hepatitis-C-Therapie haben? 

Hofmann: Ich erkläre ihnen, dass es, anders als früher, heute Therapien gibt, die wirklich nebenwirkungsarm und zugleich hoch effektiv sind. Die Patientinnen und Patienten müssen heute keine Befürchtungen mehr haben, dass es zu stärkeren Nebenwirkungen kommt.

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