Die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste leukämische Erkrankung in Deutschland. Foto: © iStock.com/Dr_Microbe
Die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste leukämische Erkrankung in Deutschland. Foto: © iStock.com/Dr_Microbe

Neue Medikamente setzen neue Behandlungsstandards

Die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste leukämische Erkrankung in Deutschland. Neue und verbesserte Medikamente haben die Chancen der Patienten enorm erhöht. Jetzt ist sogar von einem Ende der Chemotherapie-Ära die Rede.

Mehr als 3.000 Menschen sind in Deutschland pro Jahr mit der Diagnose Chronische Lymphatische Leukämie konfrontiert und mehr als 1.000 Menschen sterben an den Folgen der CLL. Die Betroffenen sind meist über 70 Jahre alt – daher auch der Name „Altersleukämie“ – und es trifft fast doppelt so häufig Männer wie Frauen. Bei der Erkrankung kommt es zu einer klonalen Vermehrung von reifen, kleinzelligen, aber funktionslosen B-Zellen. Warum das passiert, ist immer noch weitgehend unbekannt. Einer der wesentlichen Treiber für das Auftreten der Erkrankung dürfte aber in einer genetischen Vorgeschichte liegen: Wer eine CLL in der Familie hat, trägt ein höheres Risiko in sich. Heilbar ist die CLL nach heutigem Stand der Wissenschaft nur durch eine Stammzellen-Transplantation.

Das Tückische an der CLL: Sie bleibt oft lange unerkannt, weil viele Patienten lange beschwerdefrei bleiben. Die Symptome entwickeln sich schleichend und manchmal über mehrere Jahre. Und wer vermutet bei über 70-jährigen Menschen mit Symptomen wie Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Fieber bzw. Nachtschweiß gleich einen Blutkrebs? Deshalb wird eine CLL oft eher zufällig entdeckt. Hinzu kommt: Das Krankheitsbild ist sehr heterogen. Bei manchen Patienten hat sie einen eher „gutartigen“, bei anderen hingegen einen aggressiveren Verlauf: Entsprechend schwer ist eine Prognose zu treffen. Das so genannte mediane Überleben liegt zwischen zwei und zehn Jahren.

Traditionell wird die CLL mit einer Chemo-Immuntherapie behandelt – in der Regel in der Kombination mit dem Antikörper Rituximab. Dies gilt als eine sehr wirksame Behandlung, die aber Nachteile hat. „Es ist eine aggressive Therapie mit vielen Nebenwirkungen“, sagt der medizinische Direktor Hämatologie beim forschenden Pharmaunternehmen Janssen-Cilag, Dr. Ralf Angermund: „Obwohl die Behandlung nur rund sechs Monate dauert, hält die Immunschwäche zum Beispiel bei der sogenannten FCR-Therapie teilweise Jahre an“, berichtet er. Immunschwächen erhöhen das Risiko für Infektionen wie z.B. lebensgefährliche Lungenentzündungen. „Chemotherapeutika sind unspezifische Zellgifte, die im Wesentlichen alle sich teilenden Zellen vergiften“, sagt der Mediziner. „Damit sind auch nicht-Tumorzellen betroffen.“ Daher die heftigen Nebenwirkungen: eine Chemotherapie ist wie ein Frontalangriff auf das Immunsystem des Menschen. Weil die Patienten aber meist schon über 70 Jahre alt sind, kann eine solche Chemo nur von Patienten in gutem Allgemeinzustand verkraftet werden. Oder man greift zu verträglicheren Medikamenten-Cocktails – die aber meist auch weniger erfolgreich sind.

Die Chemotherapie: Eine starke Belastung für ältere Patienten

Forschern war deshalb klar: Wer bei der Behandlung dieser chronischen Form der Leukämie vorankommen will, muss gezielter eingreifen können. Ein solcher Weg wurde mit den so genannten Tyrosinkinase-Hemmern gefunden. Es sind Substanzen, die bestimmte Enzyme in der Zelle, so genannte Tyrosinkinasen, blockieren, die für die Signalübertragung wichtig sind. In den 1990er-Jahren entdeckte man, dass sie eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen spielen.  Tyrosinkinase-Hemmer gelten als mindestens genauso wirksam wie die klassische Chemotherapie, haben aber, da sie tumorspezifisch wirken, ein deutlich günstigeres Nebenwirkungsprofil.

Das gilt auch für das Prinzip der so genannten Bcl-2-Hemmung. Weil Krebszellen, um überleben und sich ausbreiten zu können, den eigenen Selbstzerstörungsmechanismus (Apoptose) ausschalten können, soll durch die Hemmung des Proteins genau das verhindert werden. Auch dieses Prinzip ist bereits in Form eines Medikamentes zugelassen. Und schließlich gibt es neu entwickelte CD-20-Antikörper, die gegenüber dem Klassiker Rituximab deutliche Überlebensvorteile vorweisen. Rituximab wurde in Europa 1998 zugelassen und gilt als einer der Vorreiter in Sachen personalisierter Medizin.

Neue Wirkprinzipien, verbesserte Medikamente – ist in der Behandlung der CLL die Ära der Chemotherapie vorüber? Angermund sieht das so: „Als man nichts anderes hatte, und die Patienten an den Folgen der CLL gestorben sind, gab es nur die Behandlungsmöglichkeit der Chemotherapie. Durch die neuen Medikamente ist eine Behandlung mit Tabletten möglich. Die Verträglichkeit ist deutlich besser als die der ‚alten‘ intravenösen Chemotherapie. Die Wirksamkeit ist ebenfalls deutlich besser.“ Er verweist auf Studiendaten, laut denen Patienten nach Behandlung mit einem Tyrosinkinase-Hemmer in der Erstlinientherapie Lebenserwartungen zeigen, die im Bereich der Lebenserwartung von gesunden gleichaltrigen Menschen liegen. „Das ist mit der „alten“ Chemotherapie nur selten möglich. Die neuen Therapien können den Patienten bessere Perspektiven bieten. Sie sind aus meiner Sicht daher klar vorzuziehen.”

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