Arzneimittelpreise im europäischen Vergleich

Seit Einführung des AMNOG im Jahr 2011 haben sich die Preise für Arzneimittelinnovationen im europäischen Vergleich verschoben. Rund zwei Drittel der deutschen Erstattungsbeträge liegen heute unterhalb des publizierten durchschnittlichen Preises eines Präparats in europäischen Vergleichsländern, jedes fünfte Präparat liegt sogar unterhalb des niedrigsten europäischen Preises.

Der Mond muss für vieles herhalten. Wenn es um die Arzneimittelpreise geht, hat sich z. B. der Begriff „Mondpreise“ etabliert – als eine Art Kampfparole gegen vermeintlich zu hohe Preise von neuen Arzneimitteln. Doch seit der Einführung der Zusatznutzenbewertung von Arzneimittelinnovationen (AMNOG-Verfahren) im Jahr 2011 zeigt sich in Europa eine erstaunliche Entwicklung (s. Grafik): Schaut man sich die im Rahmen des Verfahrens ausgehandelten 153 deutschen Erstattungspreise an, zeigt sich, dass 65 Prozent von ihnen unterhalb des europäischen Durchschnitts liegen. 23 Prozent der ausgehandelten Preise liegen sogar unterhalb des niedrigsten europäischen Preises. Erstaunlich ist das, weil Deutschland immerhin die stärkste Volkswirtschaft im europäischen Raum ist. Die Zahlen stammen aus den „AMNOG-Daten 2018“, die der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) herausgegeben hat. Grundlage für den Vergleich sind die publizierten Preise, die von den tatsächlich gezahlten abweichen können.

Autoren sind die beiden Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Dieter Cassel und Prof. Dr. Volker Ulrich. Sie kommentieren die Fakten so: „Grundsätzlich sollten die einzelnen Länder nach Wirtschaftskraft bzw. Zahlungsfähigkeit und nach Präferenzen bzw. Zahlungsbereitschaft differenzierte Preise aufweisen. Eine solche Preisdifferenzierung gewährleistet, dass kein Land wegen zu hoher Preise vom therapeutischen Fortschritt ausgeschlossen wird und gilt von daher ökonomisch als international wohlstandsfördernd. Das bedeutet aber auch, dass Deutschland für seine Arzneimittel-Innovationen mehr zu zahlen bereit sein muss, als viele seiner europäischen Partnerländer oder praktisch alle Entwicklungs- und die meisten Schwellenländer. Europäisch einheitliche Arzneimittelpreise mögen zwar aus der Sicht einer deutschen Krankenkasse erstrebenswert sein, sie sind es allerdings nicht aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive.“

Preise haben viele steuernde Effekte – und die sind nicht immer positiv. Wenn es um die Verfügbarkeit von Medikamenten geht, ist Deutschland von einem reinen Importland zu einem geworden, das teilweise Medikamente exportiert: Der innereuropäische Parallelhandel macht sich Preisunterschiede in den einzelnen Ländern zunutze; für Patienten in Deutschland vorgesehene Präparate verschwinden ins Ausland, wo sich bessere Preise erzielen lassen. „In Deutschland ist der pharmazeutische Hersteller verpflichtet, den Krankenkassen-Rabatt schon bei der Lieferung an den Großhandel bzw. an die Apotheke zu gewähren. So können Händler den AMNOG-Rabatt nutzen, um Arzneimittel ins europäische Ausland zu verkaufen“, heißt es dazu beim Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) . Und das tun sie auch: Daraus können Versorgungsprobleme resultieren, weil solche Medikamente in der Behandlung hierzulande fehlen. Cassel/Ulrich schreiben dazu: „Mit Blick auf die neue Situation mit Parallelexporten besteht […] die zunehmende Gefahr, dass ein steigender Warenabfluss künftig zu Versorgungsengpässen hierzulande führen könnte.“

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